Universität und Fachhochschule
Marcel Alexander Niggli
Antworten auf Fragen zu finden, ist etwas völlig anderes, als die relevanten Fragen zu finden.
31 Denkt man über den Unterschied von Universität und Fachhochschule nach und über ein Kriterium, das sie unterscheidet, so lautet die klassische Antwort, dass Fachhochschulen anwendungsorientiert, Universitäten dagegen theorieorientiert seien.
Das mag sein, geht aber am Problem insofern vorbei, als dass eine Theorie, die nicht dazu dient, Probleme zu lösen, nicht wirklich hilft, und umgekehrt eine Problemlösung ohne theoretische Basis wohl nicht gelingen kann. Insbesondere für die Jurisprudenz, bei der man sich ja ihrer Wissenschaftlichkeit nicht übermässig sicher ist (trotz der manchmal anzutreffenden deutschen Bezeichnung «Rechtswissenschaft»), stellt sich diese Frage, da ein anwendungsloses Recht nicht wirklich sinnvoll oder auch nur vorstellbar erscheint (ganz analog im Übrigen für die Medizin).
In unserem Verständnis sind Fachhochschulen Einrichtungen, die vermitteln, wie man gute Antworten auf bestehende Fragen findet, während Universitäten sich damit beschäftigen, wie man die (richtigen, wichtigen oder fruchtbaren) Fragen findet.
Die Unklarheit der Abgrenzung ist bedeutsamer als es scheinen mag. Juristische Fakultäten nämlich reagieren darauf, dass sie ein Abgrenzungskriterium nicht wirklich benennen können, damit, dass sie zunehmend zu Fachhochschulen werden, indem sie immer anwendungsorientierter werden, immer mehr, und immer spezifischere und spezialisierte Fächer anbieten, sich also immer mehr mit den Antworten, statt mit den Fragen beschäftigen. Universitätsabsolventen werden immer besser, innert kurzer Zeit umfangreich und verlässlich Antworten zu finden. Gleichzeitig aber hat sich deutlich ihre Fähigkeit vermindert, mit Sachverhalten umzugehen, die sie noch nie angetroffen haben und die sie entsprechend leicht überfordern.