Die Geldabflussvorschriften der GwV-FINMA und andere Sonderbarkeiten

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Die Geld­abfluss­vorschriften der GwV-FINMA und andere Sonderbar­keiten

Dave Zollinger

116 Dies ist kein wissenschaftlicher Text. Sondern eine kritische (gelegentlich etwas polemische) Rückschau auf die Geldwäschereiverordnungsgebung der letzten 15 Jahre.

Zwanzig Jahre ist es her, dass am 1. April 1998 das Geldwäschereigesetz GwG im Rahmen des «Dritten Massnahmepaketes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität» in Kraft trat. Zeitgleich dazu hatte die Eidgenössische Bankenkommission EBK das Rundschreiben RS 98/1 erlassen, welches das RS 91/3 ersetzte und den unterstellten Instituten als Auslegungshilfe für das neue Gesetz dienen sollte. Im April 2001 berief die EBK eine Arbeitsgruppe ein, welche dieses Rundschreiben überarbeiten sollte. Quasi über Nacht (erinnerlich zwischen der zweiten und der dritten Sitzung der Arbeitsgruppe) wurde aus einem Rundschreiben ein Verordnungsentwurf, der schliesslich in seiner von der EBK erlassenen Fassung per 1. Juli 2003 in Kraft trat.

Die EBK packte in die «GwV-EBK» alles hinein, was sie zur Ausführung des GwG für notwendig erachtete. Teilweise war sie der Zeit sogar voraus: So hielt sie in Art. 1 lit. c der damaligen Verordnung fest, in dieser würden «terroristische Organisationen gelten als: Kriminelle Organisationen im Sinne von Art. 260ter StGB». Das war gut gemeint, auch wenn das positive Recht die Definition von «Terrorismus» in Art. 260quinquies StGB erst per 1. Oktober 2003 (also gut drei Monate nach Inkrafttreten der GwV-EBK) erstmals erwähnte. Die Frage, ob der Begriff «gelten als» nicht auf eine widerlegbare praesumptio juris hindeute (so dass also prinzipiell eine terroristische Organisation hätte widerlegen können, dass sie eine kriminelle Organisation im Sinne des Gesetzes ist), blieb unbeantwortet.

Ebenfalls recht frei handhabte die EBK das Territorialitätsprinzip: So hielt sie in den Art. 3 und 9 fest, dass auch ausländische Gruppengesellschaften des Finanzintermediärs die grundlegenden Vorschriften zu befolgen hätten, und dass auch im Ausland die Rechts- und Reputationsrisiken global zu erfassen, begrenzen und überwachen seien. Die Frage, wie denn Sanktionen bei der Verletzung dieser – notabene im Gesetz nicht genannten – Pflichten aussehen würden, blieb ebenfalls unbeantwortet.

Etwas strenger als im positiven Recht ging sie mit dem «Verbot der Annahme von Vermögenswerten aus Korruption und anderen Verbrechen» in Art. 4 um: Sie verzichtete im Gegensatz zum – immerhin seit dem 1. August 1990 in Kraft stehenden – Art. 305bis Ziff. 3 StGB auf die Voraussetzung der «doppelten Strafbarkeit» bei Auslandtaten.

Und sie führte – notabene auf dem Verordnungsweg und als Aufsichtsbehörde (nicht etwa 117 als Gesetzgeberin!) – eine Frühform des Informationsaustausches ein: Gemäss Art. 15 musste neu bei Zahlungsaufträgen ins Ausland Name, Kontonummer und Domizil der auftraggebenden Vertragspartei angegeben werden. Also keine «by order of one of our clients» Aufträge mehr.

Die Sorgfaltspflichten schliesslich dehnte sie bereits etwas aus, indem sie in Art. 17 praeter legem den Finanzintermediär bei Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen mit erhöhten Risiken dazu verpflichtete, den «Verwendungszweck abgezogener Vermögenswerte» abzuklären; und nach Art. 28 sollte dieser bei Abbruch einer zweifelhaften Geschäftsbeziehung (wo notabene kein begründeter Verdacht auf Geldwäscherei besteht!) den «Rückzug bedeutender Vermögenswerte nur in einer Form gestatten, welche allenfalls den Strafverfolgungsbehörden erlaubt, die Spur weiterzuverfolgen (paper trail)». Gesetzgebung ist mühsam, wenn Referenden drohen – da ist es doch viel praktischer, auf dem Verordnungsweg Pflichten festzulegen, die nicht zwingend auch im Gesetz eine Grundlage haben müssen.

Mit Schaffung der FINMA als Nachfolgeorganisation der EBK trat per Januar 2009 eine revidierte Fassung der nunmehr «GwV-FINMA 3» genannten Verordnung in Kraft. Mittlerweile war per 1. Oktober 2003 der schon erwähnte Tatbestand «Finanzierung des Terrorismus» in Art. 260quinquies StGB in Kraft getreten. Das Parlament hatte dieser Norm mit Rücksicht auf spendensammelnde nahöstliche NGO die Zähne gezogen und ins Gesetz geschrieben, dass die eventualvorsätzliche Terrorismusfinanzierung (also das Spenden an Organisationen, bei denen man in Kauf nimmt, dass sie mit den Spendengeldern auch Terroranschläge finanzieren) straflos ist und dass keine «terroristische Straftat (gegeben ist), wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse» gerichtet ist. Also das, was eigentlich alle «Freiheitskämpfer» wollen: Ein Staat nach ihrem rechtsstaatlichen Gusto. Mit anderen Worten: Die bis heute einzige Definition von Terrorismus im Schweizer Recht bestraft nur die direkte Finanzierung von Gewalttaten, während alle übrigen (also die eventualvorsätzlich dem Terrorismus dienenden) Finanzströme «nicht strafbar» sind. Etwas enger sieht dies die FINMA, welche in Art. 4 der Verordnung dem Finanzintermediär grad sämtliche «Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen oder Personen…, von denen er weiss oder annehmen muss, dass sie den Terrorismus finanzieren», verbot. Was aber würde sie nun einem Finanzintermediär sagen, der eine Geschäftsbeziehung zu einer «Hilfsorganisation» im Nahen Osten unterhält, die für ihre Bombenanschläge auf ein kleines Land am roten Meer und dessen Bewohner notorisch ist? Darf er diese Beziehung unterhalten, weil ja hier die Möglichkeit der Finanzierung eines Bombenanschlages lediglich in Kauf genommen wird (was gemäss Gesetz straflos ist), oder ist sie durch die engere Bestimmung in der Verordnung verboten?

Etwas im Obligationenrecht tummelte sich die FINMA in Art. 5 der Verordnung, wo sie festhielt, dass eine «Geschäftsbeziehung im Moment des Vertragsschlusses als aufgenommen» gilt. Was aber sollte damit gemeint sein: Der Moment, in welchem der Kundenberater und der Kunde am Tisch sich einig sind (was wohl im Sinne von Art. 1 OR der Vertragsschluss wäre)? Oder der Moment, in welchem alle notwendigen Formulare unterschrieben sind, der formelle Vertragsschluss also? Oder der Moment, wo alle notwendigen Formulare ausgefüllt sind, der KYC-Check durchgeführt und die Kontoeröffnung im CIF freigeschaltet sind und dem Kunden die freudige Nachricht mitgeteilt wird, dass er nun seine Vermögenswerte überweisen kann? Immerhin deutet auch hier die Verwendung des Wortes «gilt als» auf eine widerlegbare praesumptio juris hin, so dass also der Finanzintermediär prinzipiell widerlegen können müsste, dass die Geschäftsbeziehung schon im Moment des Vertragsschlusses aufgenommen worden war.

Nachdem das Bankgeheimnis 2003 bereits für Zahlungsaufträge ins Ausland in Bezug auf den 118 Auftraggeber aufgehoben worden war, erfolgte nun in Art. 13 dieselbe Aufhebung für den Zahlungsverkehr im Inland, jedenfalls für Zahlungen über mehr als Fr. 1500.

Und auch hier wurden die Sorgfaltspflichten des GwG insofern ausgedehnt, als nach Art. 45 der Finanzintermediär bei Abbruch einer Geschäftsbeziehung «Vermögenswerte im Betrag von 25 000 Franken und mehr nur in einer Form zurückerstatten (darf), die es den Behörden erlaubt, deren Spur weiterzuverfolgen (paper trail)». Es mag schon sinnvoll sein, dass man schaut, wohin das Geld fliesst. Aber festzuhalten bleibt, dass in den genannten Fällen gerade kein konkreter Verdacht auf Geldwäscherei vorhanden ist, die Vermögenswerte mithin «sauber» sind und das GwG selbst kein solches Verbot einer Barabhebung vorsieht.

Wer meint, dass sich eine Ausführungsverordnung auf den Gesetzestext stützen müsse, wird jedenfalls bei der Geldwäschereibekämpfung immer wieder eines Besseren belehrt.

Per Januar 2011 trat erneut eine revidierte Form der Verordnung in Kraft, die nun nur noch «GwV-FINMA» (ohne Nummer) hiess. Während sie in Art. 3 klar festhielt, dass ihr Geltungsbereich (nur) für Finanzintermediäre in der Schweiz gilt, hielt sie aber dennoch in Art. 5 erneut die Pflicht des Finanzintermediärs fest, auch bei seinen Zweigniederlassungen und Gruppengesellschaften im Ausland für Ordnung (bzw. für die Einhaltung der Verordnungs-Normen) zu sorgen – ein Umfang, den selbst das GwG nicht vorsieht, denn es richtet sich ja bekanntlich «nur» an Finanzintermediäre in der Schweiz. Einmal mehr eine Ausdehnung der Aufsicht durch die Hintertüre der Verordnungsgebung.

Konsequenterweise erfolgte nun in Art. 10 auch noch die Pflicht zur Nennung des Auftraggebers bei Zahlungsaufträgen unter Fr. 1500, also nun bei sämtlichen Zahlungen. Weshalb die per 2009 eingeführte Bagatellunterschwelle nun per 2011 wieder aufgehoben wurde, ist nicht restlos klar – oder vielleicht ist umgekehrt nicht klar, weshalb überhaupt eine solche eingeführt worden war.

Per 2016 wurde schliesslich parallel zur Revision des GwG (und zur Revision der VSB) eine ebenfalls revidierte GwV eingeführt. Nun war der Text gendergerecht formuliert. So heisst es seit da in Art. 10: «Der Finanzintermediär der Auftraggeberin oder des Auftraggebers gibt den Namen, die Kontonummer und die Adresse der Auftraggeberin oder des Auftraggebers sowie den Namen und die Kontonummer der begünstigen Person an.» Schade nur, dass dabei die Finanzintermediärinnen vergessen gingen.

Weil nun neu auch die qualifizierten Steuervergehen Vortaten für Geldwäscherei wurden, hält Art. 7 fest, dass keine Vermögenswerte aus Verbrechen oder qualifizierten Steuervergehen entgegengenommen werden dürfen, «auch wenn das Verbrechen oder das Vergehen im Ausland begangen wurde». Wenn man schon 2003 auf das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit bei Auslandtaten verzichten konnte, weshalb sollte man es denn nun hier einführen?

Zurzeit ist erneut eine Revisionsvorlage in der Entstehung. Auch hier gibt es wieder einen Strauss von interessanten Neuerungen. So soll in Art. 6 eine vollständige «globale Überwachung der Rechts- und Reputationsrisiken» (notabene einmal mehr auf dem Verordnungsweg!) vor- 119 geschrieben werden. In Art. 10 soll der Finanzintermediär bei Zahlungsaufträgen jeglicher Grösse sicherstellen, «dass die Angaben zur Auftraggeberin oder zum Auftraggeber zutreffend und vollständig und die Angaben zur begünstigen Person vollständig sind». Damit kann nichts anderes gemeint sein, als dass sich der Finanzintermediär prinzipiell bei jeder Transaktion (jedenfalls im internationalen Zahlungsverkehr) darüber vergewissern muss, dass die Auftraggeberin oder der Auftraggeber auch wirklich zutreffende und vollständige Angaben machen. Wie aber soll er das tun?

Immerhin ist die FINMA nach der Vorkonsultation von der ursprünglich in Art. 9a vorgesehenen «Verifizierung der wirtschaftlichen Berechtigung» abgekommen, wo sie vorgesehen hatte, dass der Finanzintermediär «anhand risikobasierter Massnahmen (verifiziert), ob die als wirtschaftlich berechtigte angegebene Person tatsächlich die wirtschaftlich berechtigte Person ist». Nachdem ein bedeutender Teil der im Rahmen der Vorkonsultation angehörten Fachpersonen die gesetzliche Grundlage einer solchen Norm bezweifelt hatten, entfernte die FINMA diese Bestimmung aus der Vorlage. Sie konnte vermutlich auch die Frage nicht beantworten, wie denn der Finanzintermediär diese Verifikation (will heissen: Überprüfung anhand eines Dokumentes) bei einer Person vornehmen soll, die gar nicht Vertragspartner ist.

Es wird also auch in Zukunft nicht langweilig werden, den Aufsichtsbehörden (formell zwar: dem Bundesrat) bei der Verordnungsgebung auf die Finger zu schauen. Wer meint, dass sich eine Ausführungsverordnung auf den Gesetzestext und die dortigen Grundlagen stützen müsse, wird jedenfalls bei der Geldwäschereibekämpfung immer wieder eines Besseren belehrt: Der gute Zweck heiligt die nachlässigen Mittel.

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