Die Beschlagnahme als Zwangsmassnahme
Daniel Jositsch & George Poulikakos
Gegenstand dieser Untersuchung ist die Beschlagnahme gemäss Art. 263 ff. StPO und deren Ausgestaltung als Zwangsmassnahme. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie lange eine Beschlagnahme gegen eine beschuldigte Person maximal dauern kann, um noch als verhältnismässig zu gelten. Hierfür wird eine Analyse der Rechtsprechung des EGMR zur übermässig langen Verfahrensdauer gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK herangezogen, in der Richtwerte zur allgemein maximal zulässigen Dauer des Strafverfahrens gebildet wurden. Sodann werden diese Richtwerte übertragen auf die maximal zulässige Dauer der Beschlagnahme gegen eine beschuldigte Person. Schliesslich wird vorgeschlagen, diese Richtwerte zu reduzieren für Beschlagnahmen, die gegen nicht beschuldigte Personen angeordnet werden.
Beschlagnahme als Zwangsmassnahme allgemein
Begriff
Der Begriff der Beschlagnahme wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Mit Beschlagnahme meint man zunächst eine Zwangsmassnahme, die der vorläufigen staatlichen Sicherstellung von Gegenständen und Vermögenswerten ohne Einverständnis der betroffenen Person dient, damit diese beschlagnahmten Vermögenswerte und Gegenstände eventuell im Verlauf des Strafprozesses verwendet werden können.284 Im Unterschied zur Einziehung gemäss Art. 69 ff. StGB bleiben die Besitz- und Eigentumsverhältnisse der beschlagnahmten Gegenstände respektive Vermögenswerte durch die Beschlagnahme unberührt.285 Es gibt jedoch Konstellationen, in denen eine Beschlagnahme etwa wegen ihrer Dauer die Verwendung der beschlagnahmten Sachen zum vorgesehenen Zweck verunmöglicht.286 Damit würde sie einen irreversiblen Eingriff in die Eigentums- und Vermögensrechte der Betroffenen darstellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts 152 ist in solchen Fällen keine Beschlagnahme zu verfügen.287
Trotzdem hat die Beschlagnahme auf die zivilrechtlichen Ansprüche der betroffenen Person einen Einfluss. Es wird ihr verunmöglicht, tatsächlich über die beschlagnahmten Gegenstände respektive Vermögenswerte zu verfügen und Eigentumsrechte auszuüben.288 Dieser Eingriff in die Verfügungsmacht der betroffenen Person kann auch über eine längere Zeit andauern, denn über die Verwendung der beschlagnahmten Gegenstände respektive Vermögenswerte wird erst beim Abschluss des Verfahrens entschieden.289
Betroffene
Die Beschlagnahme kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 263 Abs. 1 StPO gegen die beschuldigte Person oder eine Drittperson gerichtet sein, wobei die Einschränkungen nach Art. 264 StPO zu beachten sind.290 Eine Unterscheidung in der Ausgestaltung einer Beschlagnahme gegen die beschuldigte Person im Vergleich zu einer Drittperson ergibt sich nicht direkt aus Art. 263 StPO. Zu beachten ist aber, dass für die Beschlagnahme als Zwangsmassnahme die allgemeinen Voraussetzungen für Zwangsmassnahmen nach Art. 196200 StPO gelten.291 Entsprechend wäre gemäss Art. 197 Abs. 2 StPO eine Beschlagnahme dann besonders zurückhaltend einzusetzen, wenn sie in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen, mithin Drittpersonen nach Art. 263 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO, eingreift.292 Sofern also eine Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person angeordnet wird, muss von restriktiveren Voraussetzungen ausgegangen werden, als dies bei einer Beschlagnahme gegenüber einer beschuldigten Person der Fall wäre.293
Objekte
Die Bestimmungen zur Beschlagnahme erfassen zwei beschlagnahmefähige Objekte: Gegenstände und Vermögenswerte.294 Dabei wird der Begriff «Gegenstände» i.S.v. Art. 263 Abs. 1 StPO durch die Bestimmung zur Sicherheitseinziehung nach Art. 69 Abs. 1 StGB konkretisiert. Er erfasst demnach Gegenstände, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. Gemeint sind mithin nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre nur körperliche Objekte.295
Der Begriff «Vermögenswerte» i.S.v. Art. 263 Abs. 1 StPO wird wiederum durch die Bestimmung zur Einziehung von Vermögenswerten nach Art. 70 Abs. 1 StGB konkretisiert. Beschlagnahmefähig sind somit Vermögenswerte, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen.296
Voraussetzungen der Beschlagnahme
Allgemein aus Art. 197 Abs. 1 StPO
Die Beschlagnahme ist eine Zwangsmassnahme i.S.v. Art. 196 lit. a und b StPO und muss 153 demnach den gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmassnahme nach Art. 197 StPO genügen. Konkret bedeutet dies, dass eine Beschlagnahme nur angeordnet werden kann, wenn sie das Ziel verfolgt, Beweise zu sichern (Art. 196 lit. a StPO), die Anwesenheit von Personen im Verfahren sicherzustellen (Art. 196 lit. b StPO) oder die Vollstreckung des Endentscheides zu gewährleisten (Art. 196 lit. c StPO). Die Aufzählung der möglichen Ziele für Zwangsmassnahmen aus Art. 196 StPO ist abschliessend, so dass eine Beschlagnahme unzulässig wäre, wenn sie andere Ziele verfolgt als diejenigen von Art. 196 lit. a-c StPO. Entsprechend fällt es etwa ausser Betracht, ein Konto zu sperren, um die Begehung von (weiteren) allenfalls strafbaren Handlungen zu verhindern.297
Die Beschlagnahme stellt in der Regel einen mittelschweren bis schweren Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum und Besitztum (Art. 26 BV), unter Umständen auch in die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV), der betroffenen Person dar. Hierfür verlangt die Praxis des Bundesgerichts eine «klare und eindeutige Grundlage in einem formellen Gesetz»298, um den allgemeinen Anforderungen an Grundrechtseingriffe aus Art. 36 Abs. 1 BV zu genügen. Diese wurden für den Anwendungsbereich der StPO in Art. 197 StPO auf Gesetzesebene konkretisiert.299 Erforderlich für die Beschlagnahme sind demnach eine gesetzliche Grundlage (Art. 197 lit. a StPO), ein hinreichender Tatverdacht (Art. 197 lit. b StPO) sowie Verhältnismässigkeit (Art. 197 lit. c und d StPO). Soweit sie in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreift, ist die Beschlagnahme besonders zurückhaltend einzusetzen (Art. 197 Abs. 2 StPO).
Für die Beschlagnahme ergibt sich die gesetzliche Grundlage aus Art. 263 ff. StPO.300 Problematisch sind die Art. 263 ff. StPO als gesetzliche Grundlage erst im Rahmen der vorzeitigen Vernichtung von beschlagnahmten verderblichen Gegenständen, da solche Massnahmen sich nicht auf die Bestimmungen der Beschlagnahme stützen lassen.301 Entsprechend kann gestützt auf Art. 263 ff. StPO keine vorzeitige Vernichtung etwa von Hanfpflanzen angeordnet werden.302
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist Voraussetzung für die Beschlagnahme «ein hinreichender, objektiv begründeter konkreter Tatverdacht gegenüber dem Inhaber des Gegenstandes bzw. Vermögenswertes oder einem Dritten»303. Ein für die Beschlagnahme hinreichender Tatverdacht liegt somit vor, wenn ernsthafte konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass sich ein strafrechtlich relevanter tatbestandsmässiger Sachverhalt ereignet hat.304
An den hinreichenden Tatverdacht sind am Anfang der Untersuchung noch weniger hohe Anforderungen zu stellen, als wenn die Ermittlungen bereits weiter vorangeschritten sind.305 Es wird zwar nicht – in Abgrenzung zum dringenden Tatverdacht – vorausgesetzt, dass Beweise und Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen;306 allerdings muss sich 154 der Tatverdacht im Verlaufe der Ermittlungen weiter verdichten.307 Die Verdachtslage unterliegt mit anderen Worten einer umso strengeren Prüfung, je weiter das Verfahren fortgeschritten ist.308 Zu berücksichtigen ist demnach die Intensität des vor der Zwangsmassnahme bestehenden Tatverdachts: Falls bereits früh konkrete, belastende Beweise vorliegen, kann es für die Fortdauer der Zwangsmassnahme genügen, wenn der Tatverdacht im Laufe der Ermittlungen weder ausgeräumt noch deutlich abgeschwächt wird.309 Sinkt die Eingriffsintensität der Zwangsmassnahme – was bei einer andauernden Beschlagnahme aber nicht wirklich der Fall sein kann – so ist an den Nachweis des Tatverdachts in der Regel ein weniger strenger Massstab anzulegen.310
Die Abgrenzung verschiedener Verdachtsstufen, namentlich des dringenden Tatverdachts vom hinreichenden Tatverdacht, ist in der Praxis schwierig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt ein dringender Tatverdacht vor, wenn die vorhandenen Beweise oder Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen.311 Der hinreichende Tatverdacht unterscheidet sich vom dringenden Tatverdacht vor allem durch graduelle Elemente hinsichtlich der Beweislage.312 Ein dringender Tatverdacht ist für die Beschlagnahme nicht erforderlich.313
Die Verhältnismässigkeit der Beschlagnahme ist anhand der verfassungsrechtlichen Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit (Subsidiaritätsprinzip) und Verhältnismässigkeit i.e.S (auch Proportionalität) zu beurteilen und muss in jedem einzelnen Fall geprüft werden.314 Konkretisiert werden die Kriterien der Erforderlichkeit (Subsidiaritätsprinzip) und Proportionalität in Art. 197 Abs. 1 lit. c und d StPO, wonach für die Zulässigkeit der Anordnung der Beschlagnahme die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Beschlagnahme rechtfertigt (lit. d). Das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO ist auch dann zu beachten, wenn verschiedene Zwangsmassnahmen mit unterschiedlicher Eingriffsintensität zur Diskussion stehen. Reicht etwa eine blosse Hausdurchsuchung zur Sicherung eines Beweises aus, so darf keine Untersuchungshaft angeordnet werden.315 Das Erfordernis der Proportionalität verlangt, dass vom Grundrechtseingriff durch die Zwangsmassnahme abgesehen werden muss, wenn Eingriffszweck und Eingriffswirkung nicht in einer vernünftigen Relation stehen.316 So kann etwa bei einer Übertretung keine Haft angeordnet werden (Art. 221 Abs. 1 StPO).317 Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung der in Frage stehenden Beschlagnahme ist sodann deren Zeitdauer zu berücksichtigen.318 Dies bedeutet, dass eine ursprünglich zumutbare Zwangsmassnahme nach einer gewissen Zeitdauer unzumutbar werden kann und somit nicht mehr verhältnismässig wäre.319
Weiter finden sich in den Bestimmungen über die Beschlagnahme andere Konkretisierungen des Verhältnismässigkeitsprinzips, etwa die Nachrangigkeit der Beschlagnahme gegenüber der Editionsaufforderung gemäss Art. 265 Abs. 1 und 4 StPO, die Pflicht zur vorzeitigen Verwertung von Gegenständen mit schneller Wertverminderung gemäss Art. 266 Abs. 5 StPO 155 oder zur Anlage beschlagnahmter Vermögenswerte gemäss Art. 266 Abs. 6 StPO.320
Materiell
Neben den allgemein für die Anordnung von Zwangsmassnahmen geltenden Voraussetzungen321 bedarf es nach Art. 263 Abs. 1 StPO für die Beschlagnahme der Wahrscheinlichkeit, dass die beschlagnahmten Objekte im Verlaufe des Strafverfahrens zu einem der angestrebten Zwecke aus Art. 263 Abs. 1 lit. a-d StPO gebraucht werden.322 Obwohl sich die Prognose auf «tatsächliche Anhaltspunkte» stützen muss,323 verlangt die Rechtsprechung, dass die Anforderungen an die voraussichtliche Verwendung im Verlauf des Verfahrens zunehmen.324 So genügt am Anfang der Strafuntersuchung noch eine einfache Wahrscheinlichkeit, wohingegen für eine Beschlagnahme über eine längere Zeit verlangt werden muss, dass sich die Verdachtsmomente im Laufe der Ermittlungen erhärten und ein Kausalzusammenhang zwischen den beschlagnahmten Gegenständen und der untersuchten Tat sehr wahrscheinlich erscheint.325 Die StPO kennt aber keine spezifischen zeitlichen Grenzen, in denen sich der Tatverdacht qualitativ erhärtet haben muss.326 Die entsprechende Grenze muss grundsätzlich im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung eruiert werden.327
Die Beschlagnahme ist nur zulässig, wenn die Gründe für ein Beschlagnahmeverbot gemäss Art. 264 StPO nicht greifen oder andere materielle bzw. prozessuale Hindernisse eine Beschlagnahme nicht verunmöglichen.328 So wäre etwa die Beschlagnahme von Vermögenswerten nicht möglich, wenn die Einziehung gemäss Art. 70 Abs. 3 StGB bereits verjährt ist.329
Formell
Verlangt ist (mindestens) die zeitnahe Eröffnung eines Strafverfahrens oder eines selbständigen Einziehungsverfahrens330 sowie ein schriftlicher Beschlagnahmebefehl. Zuständig für die Anordnung des Beschlagnahmebefehls sind gemäss Art. 198 Abs. 1 lit. a und b StPO die Staatsanwaltschaft und das Gericht. Nach Art. 263 Abs. 2 StPO kann die Beschlagnahme in dringenden Fällen mündlich angeordnet werden; sie ist aber nachträglich schriftlich zu bestätigen.331 Der Beschlagnahmebefehl ist nach dem Wortlaut des Gesetzes kurz zu begründen. Er sollte somit Ausführungen zum inkriminierten Sachverhalt sowie zur Beweislage enthalten, die den Tatverdacht begründet, sowie den mutmasslichen Zusammenhang zwischen Delikt und Beschlagnahmeobjekt332 aufzeigen.333 Zudem muss aus dem Beschlagnahmebefehl hervorgehen, zu welchem Zweck das fragliche Objekt beschlagnahmt wird, mithin um welche Beschlagnahmeart gemäss Art. 263 Abs. 1 lit. a-d StPO es sich handelt; die betreffenden Gesetzesbestimmungen sind aufzuführen.334
Beschlagnahmearten
Das Gesetz unterscheidet zwischen der Beweismittelbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO), der Deckungsbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. b und Art. 268 StPO), der Restitutions- 156 beschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. c StPO) und der Konfiskationsbeschlagnahme oder Einziehungsbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO).335 Die Ersatzforderungsbeschlagnahme ist in der StPO nicht geregelt, weil der Gesetzgeber es unterliess, die betreffende Bestimmung von Art. 71 Abs. 3 StGB in die StPO zu übertragen.336 Um den Rahmen dieses Beitrags nicht zu übersteigen wird darauf verzichtet, näher auf die verschiedenen Beschlagnahmearten einzugehen.337
Durchführung der Beschlagnahme gemäss Art. 266 StPO
Die Durchführung der Beschlagnahme wird in Art. 266 StPO geregelt und hängt davon ab, was beschlagnahmt werden soll. Handelt es sich um bewegliche Sachen, so werden diese physisch der von der Beschlagnahme betroffenen Person entzogen. Bei unbeweglichen Sachen, insbesondere Grundstücken, erfolgt die Beschlagnahme in Gestalt einer im Grundbuch eingetragenen Verfügungssperre i.S.v. Art. 266 Abs. 3 StPO i.V.m. Art. 56 lit. a der Grundbuchverordnung.338 Bei der Beschlagnahme einer Forderung ergeht an den Schuldner der Hinweis, dass eine Zahlung an den Gläubiger die Schuldverpflichtung nicht tilgt (Art. 266 Abs. 4 StPO).339
Die Kontosperre geht in ihrer eigentlichen Durchführung meistens über die blosse Beschlagnahme von Vermögenswerten hinaus: die Bank wird angewiesen, keine Verfügungen über ein bestimmtes Konto mehr zuzulassen oder zu veranlassen. Es handelt sich insofern eigentlich um eine Verfügungssperre.340
Entscheid über die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte gemäss Art. 267 StPO
Wie alle Zwangsmassnahmen dürfen Beschlagnahmen nur so weit angeordnet und so lange aufrechterhalten werden, als sie verhältnismässig und im Hinblick auf ihren Zweck notwendig sind.341 Ist der Grund für die Beschlagnahme weggefallen, so sind die Gegenstände respektive die Vermögenswerte den Berechtigten (mit schriftlicher und begründeter Verfügung) auszuhändigen (Art. 267 Abs. 1 StPO). Sofern Ansprüche an den Gegenständen oder Vermögenswerten strittig sind, so hat das Gericht nach Art. 267 Abs. 4 StPO über diese Ansprüche zu entscheiden.342
Maximal zulässige Dauer der Beschlagnahme gegen beschuldigte Personen
Rechtsprechung in der Schweiz
Im Gesetz findet sich keine zeitliche Grenze für die zulässige Höchstdauer einer Beschlagnahme. Ein Blick in die bisherige Praxis ergibt folgendes Bild: Zunächst ist festzustellen, dass nur sehr wenig einschlägige schweizerische Rechtsprechung vorliegt, weil im Zusammenhang mit einer Beschlagnahme selten eine unverhältnismässig lange Dauer, sondern eher ein fehlender Tatverdacht oder fehlender Konnex zwischen Delikt und beschlagnahmtem Gegenstand respektive Vermögen gerügt wird. Falls eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips gerügt wird, dann eher aufgrund einer angeblichen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips.343
Das Bundesstrafgericht befasste sich in einem jüngeren Entscheid jedoch mit der vorliegend interessierenden Frage.344 Der Beschwerdeführer rügte konkret eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips in zeitlicher Hinsicht weil seit Anordnung der Beschlagnahme drei Jahre verstrichen seien, ohne dass 157 es in der Strafuntersuchung tatsächlich zu Fortschritten gekommen wäre.345 Die Beschwerde wurde aber abgewiesen, weil sich die Verfahrensdauer aufgrund der Komplexität des Verfahrens rechtfertige: die Bundesanwaltschaft habe zahlreiche Zahlungsflüsse untersuchen müssen, was sich als sehr aufwendig erwiesen habe. Zudem habe die Bundesanwaltschaft darlegen können, dass sie diverse Ermittlungshandlungen vorgenommen habe, sodass nicht geltend gemacht werden könne, es sei zu keinen Fortschritten in der Untersuchung gekommen.346
Aufgrund der spärlichen schweizerischen Praxis empfiehlt sich ein Blick auf diejenige des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Da keine klaren zeitlichen Schranken für die zulässige Dauer einer Beschlagnahme existieren, kann die reichhaltige Rechtsprechung des EGMR zur zulässigen Verfahrensdauer allgemein im Lichte von Art. 6 Ziff. 1 EMRK herangezogen werden.347 Anhand dieser lässt sich eruieren, wie lange eine Beschlagnahme im Rahmen eines Strafverfahrens maximal dauern kann, um überhaupt noch als mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar zu gelten. Denn die Beschlagnahme als Zwangsmassnahme in einem Strafverfahren kann nicht länger andauern, als das Strafverfahren selbst.
Rechtsprechung des EGMR
Im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismässigkeit von Verfahrensdauern prüft der EGMR, ob eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK348 vorliegt. Beginn des Verfahrens ist dabei am Tag, an dem eine Person angeklagt wird i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Die Konzeption der Anklage (Englisch: «charge») in Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist dabei materiell zu verstehen und hat nicht eine formelle Bedeutung.349
Die Anklage wird von der Rechtsprechung definiert als «the official notification given to an individual by the competent authority of an allegation that he has committed a criminal offence»350, aber «it may in some instances take the form of other measures which carry the implication of such an allegation and which likewise substantially affect the situation of the suspect.» Für eine Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person käme letztere Definition zur Anwendung. Nach der Rechtsprechung gilt eine Person i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK durch eine Beschlagnahme als «substantially affected», sobald ein Beschlagnahmebefehl für Vermögenswerte oder Gegenstände der betroffenen Person ergeht.351
Es stellt sich die Frage, wie lange ein Verfahren andauern kann, um noch als «innerhalb angemessener Frist» i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu gelten. Die Eruierung der zulässigen Verfahrensdauer erfolgt anhand einer Interessenabwägung. Die Kriterien der Interessenabwägung sind dabei nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR die «Betroffenheit des Beschwerde- 158 führers, die Komplexität des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers sowie das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden»352. Henzelin/Rordorf haben anhand einer Analyse der Rechtsprechung des EGMR für das Jahr 2012 durch die Europäische Kommission für die Effizienz und Qualität der Justiz (CEPEJ) eine Kaskadenordnung für die zulässige Dauer von Strafverfahren aufgestellt. Nachstehend werden die Kaskadenordnung sowie die Rechtsprechung kurz zusammengefasst.353
Eine Verfahrensdauer von weniger als 3 Jahren erachtet der EGMR als grundsätzlich angemessen. Beschwerden wegen einer übermässig langen Verfahrensdauer und somit einer Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK werden fast immer als unbegründet abgewiesen:
Urteile des EGMR Trymbach v. Ukraine, No. 44385/02, 12. Januar 2012 (2 Jahre 1 Monat, Ermittlungen wegen Mord. Der Beschwerdeführer rügte, sein Strafverfahren habe zu lange gedauert und die Staatsanwaltschaft hätte Beweise fabriziert);
• J.M. v. Denmark, No. 34421/09, 13. November 2012 (1 Jahre 4 Monat, Strafverfahren wegen Vergewaltigung. Der Beschwerdeführer rügte eine übermässig lange Dauer des Vorverfahrens).
Ausgenommen Fälle, in denen Verzögerungen im Verfahren auf das Verhalten der Strafbehörden zurückzuführen sind, erachtet der EGMR Verfahrensdauern zwischen 3 – 5 Jahren bei Behandlung der Streitigkeit durch mehrere Gerichte im Rahmen des Instanzenzugs als grundsätzlich zulässig:
Urteile des EGMR Ustyantsev v. Ukraine, No. 3299/05 vom 12. Januar 2012 (3 Jahre 6 Monate und 3 Jahre 9 Monate für 2 Instanzen, Strafverfahren und Verurteilung wegen Diebstahl eines Autos. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem die seines Erachtens konventionswidrigen Haftbedingungen wie auch eine unrechtmässige und überlange Untersuchungshaft sowie eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Timoshin v. Russia, No. 41643/04, 7. Februar 2012 (3 Jahre 5 Monate für 2 Instanzen; Strafverfahren und Verurteilung wegen Diebstahl von Palladium aus militärischer Ausrüstung. Der Beschwerdeführer rügte eine überlange Verfahrensdauer);
• Idalov v. Russia (Grosse Kammer), No. 5826/03, 22. Mai 2012 (4 Jahre 11 Monate für 2 Instanzen; Strafverfahren und Verurteilung wegen Entführung, Erpressung, illegalem Waffen- und Drogenbesitz. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem die seines Erachtens konventionswidrigen Haftbedingungen und Transferbedingungen in andere Vollzugsanstalten sowie eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Valeriy Kovalenko v. Russia, No. 41716/08, 29. Mai 2012 (3 Jahre 6 Monate für 2 Instanzen; Strafverfahren und Verurteilung wegen mehrfachen Betrugs. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem eine unrechtmässige und überlange Untersuchungshaft und Verfahrensdauer);
• Mitkus v. Latvia, No. 7259/03, 2. Oktober 2012 (3 Jahre 4 Monate für 3 Instanzen; Strafverfahren und Verurteilung zuerst wegen Erpressung und ein Jahr später wegen Raub. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem, dass er wegen medizinischer Behandlung in Gefangenschaft mit HIV infiziert worden sei sowie eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Struc v. the Republic of Moldova, No. 40131/09, 4. Dezember 2012 (3 Jahre 10 Monate für 3 Instanzen; Strafverfahren und Verurteilung wegen Körperverletzung. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem Konventionsverletzungen wegen Folter durch die Polizei während der Untersuchungshaft sowie eine übermässige Verfahrensdauer).
Eine Verfahrensdauer von mehr als 5 Jahren wird nur ausnahmsweise als zulässig erachtet. 159 Dabei müssen die Strafbehörden nachweisen, dass sie das Verfahren mit genügender Sorgfalt geleitet haben, dass der Beschwerdeführer für Verzögerungen verantwortlich ist, dass es sich um einen besonders komplexen Fall handelt oder dass die Streitigkeit durch verschiedene Gerichte im Rahmen des Instanzenzugs behandelt wurde:
Unzulässige Verfahrensdauer:
Urteile des EGMR Kiryakov v. Ukraine, No. 26124/03, 12. Januar 2012 (5 Jahre 5 Monate für 3 Instanzen; Ermittlungen unter anderem wegen Steuerbetrug und Amtsmissbrauch, schliesslich wurden alle Verfahren eingestellt. Der Beschwerdeführer rügte eine übermässig lange Dauer des Vorverfahrens);
• Dimitar Vasilev v. Bulgaria, No. 10302/05, 10. April 2012 (5 Jahre 6 Monate für 2 Instanzen; Strafverfahren und Verurteilung wegen mehrfachen Diebstals und versuchten Diebstahls. Der Beschwerdeführer rügte eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Lambadaris v. Greece, No. 47112/09, 17. April 2012 (5 Jahre 9 Monate für 2 Instanzen; Strafverfahren und Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung. Der Beschwerdeführer rügte eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Solovyevy v. Russia, No. 918/02, 24. April 2012 (5 Jahre für 2 Instanzen, Strafverfahren und Verurteilung wegen Totschlag. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem konventionswidrige Haftbedingungen und eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Mahmut Öz v. Turkey, No. 6840/08, 3. Juli 2012 (über 5 Jahre – noch hängig – für 2 Instanzen; Strafverfahren wegen Raub, Untersuchungshaft des minderjährigen Täters. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Grigoryan v. Armenia, No. 3627/06, 10. Juli 2012 (5 Jahre und 3 Monate – nach 7 Jahren immer noch hängig im Vorverfahren, laufende Ermittlungen wegen Urkundenfälschung und Veruntreuung. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem einen fehlenden Tatverdacht sowie die übermässig lange Verfahrensdauer);
• Kechev v. Bulgaria, No. 13364/05, 26. Juli 2012 (über 5 Jahre und 3 Jahre 4 Monate für Vorverfahren; Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch, Einstellung wegen mangelnder Beweise, ohne die beschuldigte Person zu informieren. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem eine übermässig lange Verfahrensdauer);
• Pimentel Lourenço v. Portugal, No. 9223/10, 23. October 2012 (5 Jahre 4 Monate für 2 Instanzen; Strafverfahren wegen Geldwäscherei und Drogenhandel. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem eine übermässig lange Verfahrensdauer).
Zulässige Verfahrensdauer:
Urteile des EGMR Horych v. Poland, No. 13621/08, 17. April 2012 (5 Jahre 6 Monate für 2 Instanzen; Strafverfahren wegen diversen Drogendelikten sowie Straftaten als Teil einer kriminellen Organisation. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem konventionswidrige Haftbedingungen wegen folterähnlicher Behandlung und eine übermässig lange Verfahrensdauer. Insbesondere aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, die sich aus dem Bezug des Beschwerdeführers zur organisierten Kriminalität ergab, sei die Verfahrensdauer mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar);
• Ghiţă v. Romania, No. 18817/04, 25. September 2012 (6 Jahre 5 Monate für 3 Instanzen und 2 Verfahren; Strafverfahren wegen Vergewaltigung, die zum Selbstmord des Opfers geführt habe. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem eine übermässig lange Verfahrensdauer. Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts und der sehr umfangreichen Beweiswürdigung durch die nationalen Gerichte, sowie, weil der EGMR keine längere Zeitphasen feststellen konnte, in denen das Verfahren nicht vorangetrieben wurde, sei die Verfahrensdauer mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar);
• Borodin v. Russia, No. 418671/04, 6. November 2012 (5 Jahre 3 Monate für 2 Instanzen; 160 Strafverfahren zunächst wegen Totschlag und dann Ermittlungen und Verurteilung wegen Mord. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem konventionswidrige Haftbedingungen und dass die ersten Ermittlungen wegen Totschlag übermässig lange gedauert hätten. Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, die eine ausführliche forensische Beweiserhebung verlangt habe, sowie, weil die Verzögerungen im Verfahren insbesondere auf das Verhalten des Beschwerdeführers selber zurückzuführen gewesen seien, sei die Verfahrensdauer mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar. Die Strafbehörden hätten dargelegt, dass sie die Untersuchungen mit genügender Sorgfalt durchgeführt haben).
Eine Verfahrensdauer von mehr als 7 Jahren hat der EGMR in fast allen Fällen als unangemessen erachtet. In den wenigen Urteilen, in denen eine Verfahrensdauer von mehr als 7 Jahren als zulässig erachtet wurde, waren Verzögerungen primär auf das Verhalten der beschuldigten Person zurückzuführen, aufgrund einer sehr hohen Komplexität oder aufgrund des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers gerechtfertigt:
Urteile des EGMR Dementjeva v. Latvia, No. 17458/10, 13. März 2012 (Strafverfahren und Ermittlungen wegen Betrug. Der Beschwerdeführer rügte unter anderem eine übermässig lange Verfahrensdauer. Obwohl gewisse Verzögerungen auch auf das Verhalten der Strafbehörden zurückzuführen seien, sei die Verfahrensdauer aufgrund der Komplexität des Sachverhalts sowie den erheblichen Verzögerungen, die der Beschwerdeführer selber zu verantworten habe, mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar);
• Breinesberger and Wenzelhuemer v. Austria, No. 46601/07, 27. November 2012 (Strafverfahren und Ermittlungen wegen Betrug. Die Beschwerdeführer rügten unter anderem eine übermässig lange Verfahrensdauer. Aufgrund der sehr komplexen Natur des Verfahrens sei nach EGMR die lange Verfahrensdauer mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar);
• Krakolinig v. Austria, No. 33992/07, 10. Mai 2012 (Strafverfahren und Ermittlung unter anderem wegen Betrug und Veruntreuung dauerten aufgrund des Gesundheitszustands der beschuldigten Person über 20 Jahre. Der Beschwerdeführer rügte eine übermässig lange Verfahrensdauer. Da der objektive Grund für die Verfahrensverzögerungen, der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, ausserhalb seines Machtbereichs und des Machtbereichs der Verfahrensleitung lag, sei die lange Verfahrensdauer mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar).
Die obige Einteilung für zulässige Verfahrensdauern allgemein soll als Orientierung dienen um zu eruieren, ob eine Beschlagnahme im Rahmen eines Strafverfahrens in zeitlicher Hinsicht noch als verhältnismässig anzusehen ist. Überträgt man die Rechtsprechung und die Grundsätze der Verhältnismässigkeitsprüfung des EGMR zur zulässigen Verfahrensdauer auf die maximal zulässige Dauer einer Beschlagnahme, so wäre eine Beschlagnahme in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich zulässig, wenn sie weniger als 3 Jahre dauert. Eine Beschlagnahme, die zwischen 3 und 5 Jahre dauert, wäre grundsätzlich auch zulässig, sofern das Verfahren mindestens vor die zweite Instanz gekommen ist. Eine Beschlagnahme, die mehr als 5 Jahren andauert, wäre in den meisten Fällen unzulässig und eine Beschlagnahme, die mehr als 7 Jahre andauert, wäre in fast allen Fällen unzulässig und nur in Extremfällen noch mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar.
Zu beachten ist dabei, dass sich die Verhältnismässigkeit in zeitlicher Hinsicht aufgrund der vom EGMR aufgestellten Kriterien ergibt. Eine Beschlagnahme von 6 Jahren ist somit nicht kategorisch unverhältnismässig, die lange Dauer kann sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls, etwa eine sehr komplexe und aufwändige Untersuchung, (ausnahmsweise) rechtfertigen. Immerhin machen diese Richtwerte aber deutlich, wann die Dauer einer Beschlagnahme in Bezug auf die Verhältnis- 161 mässigkeit in zeitlicher Hinsicht mindestens problematisch ist.
Beschlagnahme als Zwangsmassnahme gegenüber nicht beschuldigten Personen
Begriff
Wie unter II.A. ausgeführt, kann eine Beschlagnahme als Zwangsmassnahme im Sinn von Art. 196 StPO angeordnet werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, sie verhältnismässig ist und durch die Bedeutung der Straftat gerechtfertigt wird (Art. 197 Abs. 1 StPO). Soweit sie in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreift, ist die Beschlagnahme besonders zurückhaltend einzusetzen (Art. 197 Abs. 2 StPO).354 Dies ist etwa der Fall, wenn sich die Beschlagnahme gegen eine Person richtet, gegen die keine Anklage formell erhoben worden ist.
Voraussetzungen
Fraglich ist, wie sich die vom Gesetz – aufgrund der Erheblichkeit des Grundrechtseingriffs sinnvollerweise – geforderte besondere Zurückhaltung bei der Ausgestaltung der Beschlagnahme355 gegen nicht beschuldigte Personen im Vergleich zu beschuldigten Personen manifestieren soll und kann. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person in ihren Voraussetzungen von der Beschlagnahme, die gegen eine beschuldigte Person angeordnet wird. Denn die gesetzliche Grundlage bleibt gleich, weil Art. 263 Abs. 1 StPO sowohl die beschuldigte Person wie auch Drittpersonen als mögliche Betroffene einer Beschlagnahme nennt. Für den hinreichenden Tatverdacht gilt, dass dieser nicht bei der nichtbeschuldigten Drittperson zu suchen ist; es liegt in dieser Konstellation zwangsläufig kein (unmittelbarer) Tatverdacht gegenüber dem Eigentümer des beschlagnahmten Gegenstands respektive Vermögenswerts vor. Vielmehr muss sich der Tatverdacht allgemein auf das Vorliegen einer strafbaren Handlung beziehen.
Die vom Gesetz geforderte besondere Zurückhaltung dürfte sich – mangels anderer Möglichkeiten – insbesondere auf die Prüfung der Verhältnismässigkeit der in Frage stehenden Beschlagnahme auswirken. Nach der Rechtsprechung ist e contrario sogar ein besonders strenger Massstab an die Verhältnismässigkeit einer Beschlagnahme zu legen, die gegen eine nicht beschuldigte Person angeordnet wird.356
Um diesen besonders strengen Massstab an der Verhältnismässigkeitsprüfung zu konkretisieren, sollen zunächst die unter VI.B. aufgestellten Maximaldauern für Beschlagnahmen gegen beschuldigte Personen dienen. In zeitlicher Hinsicht wäre eine Beschlagnahme demnach grundsätzlich verhältnismässig, wenn sie weniger als 3 Jahre dauert. Sie wäre grundsätzlich auch verhältnismässig, wenn sie zwischen 3 und 5 Jahre dauert, sofern das Verfahren mindestens vor die zweite Instanz gekommen ist. Die Beschlagnahme wäre jedoch grundsätzlich unverhältnismässig, wenn sie mehr als 5 Jahre andauert und in fast allen Fällen unverhältnismässig, wenn sie mehr als 7 Jahre andauert. Es stellt sich mithin die Frage, wie diese Richtwerte anzupassen sind, um der besonders strengen Verhältnismässigkeitsprüfung zu genügen, die für eine Beschlagnahme gegen nicht beschuldigte Personen gefordert wird.
Maximal zulässige Dauer für Beschlagnahmen gegen nicht beschuldigte Personen
Aufgrund des strengen Massstabs an die Verhältnismässigkeitsprüfung, die sich aus der Formulierung in Art. 197 Abs. 2 StPO ergibt, 162 ist zunächst festzuhalten, dass die maximal zulässige Dauer für eine Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person – bei ansonsten gleichen Voraussetzungen357 – kürzer sein muss, als wenn die Beschlagnahme gegen eine beschuldigte Person angeordnet worden wäre. So kann grundsätzlich die Verhältnismässigkeit in zeitlicher Hinsicht bei einer strengeren Verhältnismässigkeitsprüfung gewahrt werden. Es dürfte jedoch nicht ausreichen, dass die Beschlagnahme bloss wenige Tage oder Wochen weniger andauert. Konkret müsste die Maximaldauer einer Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person deutlich weniger lange sein, als wenn die Beschlagnahme gegen eine beschuldigte Person angeordnet worden wäre; das Gesetz spricht schliesslich von besonderer Zurückhaltung bei der Anordnung von Zwangsmassnahmen, die gegen nicht beschuldigte Personen angeordnet werden.
Wenn also eine Beschlagnahme gegen eine beschuldigte Person, die 2 Jahre und 11 Monate andauert, grundsätzlich in zeitlicher Hinsicht noch als verhältnismässig gilt, so wäre eine Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person – bei ansonsten gleichen Voraussetzungen – die 2 Jahre und 10 Monate andauert, in zeitlicher Hinsicht nicht verhältnismässig. Der zeitliche Unterschied wäre nicht signifikant genug um behaupten zu können, dass die Beschlagnahme einer besonders strengen Verhältnismässigkeitsprüfung genügen könnte. Vielmehr muss als Richtwert postuliert werden, dass Beschlagnahmen gegen nicht beschuldigte Personen – bei ansonsten gleichen Voraussetzungen358 – höchstens 2/3 der Maximaldauer haben dürfen, wie wenn sie gegen beschuldigte Personen angeordnet worden wären.359 Mit anderen Worten sind die Richtwerte für die zulässige Maximaldauer einer Beschlagnahme gegen eine beschuldigte Person um 1/3 zu reduzieren, um den Richtwert zu erhalten für die zulässige Maximaldauer einer Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person. So wäre eine Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person während maximal 2 Jahren (2/3 von 3 Jahren) in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich verhältnismässig. Sie wäre grundsätzlich auch verhältnismässig, wenn sie zwischen 2 und 3 1/3 Jahre (2/3 von 3 und 5 Jahren) dauert, sofern das Verfahren mindestens vor die zweite Instanz gekommen ist. Die Beschlagnahme wäre jedoch grundsätzlich unverhältnismässig, wenn sie mehr als 3 1/3 Jahre (2/3 von 5 Jahren) andauert und in fast allen Fällen unverhältnismässig, wenn sie mehr als 4 2/3 Jahre (2/3 von 7 Jahren) andauert.
Es handelt sich hierbei um eher konservative Richtwerte, die einerseits der besonders strengen Verhältnismässigkeitsprüfung standhalten können, die für Zwangsmassnahmen gegen nicht beschuldigte Personen gefordert werden muss. Andererseits soll aber die Ermittlungstätigkeit der Strafbehörden nicht ungebührend eingeschränkt werden, wenn die Voraussetzungen der Beschlagnahme ansonsten grundsätzlich erfüllt sind. Somit erscheint der Lösungsvorschlag für die zulässige Maximaldauer einer Beschlagnahme gegen eine nicht beschuldigte Person als 2/3 der Maximaldauer einer Beschlagnahme, die gegen eine beschuldigte Person angeordnet wurde, als sinnvoll.
Schlussbetrachtung
Wie lange eine Beschlagnahme andauern darf, um gemäss aktueller Praxis in zeitlicher Hinsicht noch als verhältnismässig zu gelten, kann zwar nicht allgemein beantwortet werden. Diese Frage hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa die Komplexität des Falles, die Ermittlungsleistungen der Strafbehörden oder Verzögerungen, die auf die beschuldigte Person zurückzuführen sind. Die vorgeschlagenen Richtwerte für die Maximaldauer einer Beschlagnahme sollten jedoch dazu dienen, abschätzen zu können, wann die Dauer einer Beschlagnahme in Bezug auf die Verhältnismässigkeit in zeitlicher Hinsicht mindestens problematisch ist.
163 Zwangsmassnahmen, die gegen nicht beschuldigte Personen angeordnet werden, sind besonders zurückhaltend einzusetzen. Bei der Beschlagnahme manifestiert sich diese gesetzlich normierte besondere Zurückhaltung in der Prüfung der Verhältnismässigkeit. Um diesem Standard gerecht zu werden, ist es angezeigt, die Richtwerte zur zulässigen Maximaldauer einer Beschlagnahme gegen eine beschuldigte Person um 1/3 zu reduzieren für Beschlagnahmen, die gegen nicht beschuldigte Personen angeordnet werden. So wird die Verhältnismässigkeit gewahrt, ohne dass die Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden übermässig beeinträchtigt werden.
Die aktuelle Praxis ist dabei zu starr, zu wenig differenziert und übersieht, dass die Beschlagnahme einen massiven Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellen kann. Oftmals umfasst die Beschlagnahme die gesamten Vermögenswerte der betroffenen Person. Dies führt oftmals zu einer massiven Einschränkung in der persönlichen und wirtschaftlichen Freiheit sowie in der Lebensgestaltung. Die Beschlagnahme von (für die Verhältnisse des Betroffenen) umfangreichen Vermögenswerten während mehrerer Jahre ist zwar weniger einschneidend als Untersuchungs- oder Sicherheitshaft, kann aber bezüglich der Auswirkungen nahe an diese herankommen. Nach der geltenden Praxis wäre eine Beschlagnahme auch in solchen Fällen während bis zu fünf Jahren weitgehen bedenkenlos. Angesichts des Ausmasses einer solchen Zwangsmassnahme erscheint es als zweckmässig, dass Beschlagnahmen von für den Betroffenen (und insbesondere, wenn es sich dabei nicht um den Beschuldigten handelt) existentieller Dimension in zeitlich wesentlich geringerem Umfang als zulässig zu erachten sind, als das nach der bisherigen Praxis der Fall ist.
Bommer/Goldschmid, Vor Art. 263-268 N 1, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014; Heimgartner, Art. 263 N 1, in Donatsch/Hansjakob/Lieber (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), 2. Aufl., Zürich 2014; Riklin, StPO Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung mit JStPO, StBOG und weiteren Erlassen, 2. Aufl., Zürich 2014, Art. 263 N 1; Schmid/Jositsch, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2017, N 1108.
BGE 120 IV 299; vgl. Schmid/Jositsch (Fn. 1), N 1109; Riedo/Fiolka/Niggli, Schweizerisches Strafprozessrecht sowie Rechtshilfe in Strafsachen, Basel 2011, N 1934.
So unter anderem bei verderblichen Gegenstanden, vgl. Fn. 4.
Urteil des BGer vom 23.05.2012, 1B_26/2012; dabei geht es primär um das Umpflügen und Vernichten von Hanffeldern. Dies sei ein Eingriff von definitivem Charakter und nach Bundesgericht eine zivilrechtliche Streitigkeit i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK, für die der Richter zuständig ist. Nach Schmid/Jositsch (Fn. 1), N 1109, hat der Staatsanwalt in solchen Fällen einen Einziehungsbefehl zu erlassen, der mittels Einsprache an das erstinstanzliche Gericht weitergezogen werden kann (Art. 377 Abs. 2 StPO).
Riedo/Fiolka/Niggli (Fn. 2), N 1934.
Vgl. Art. 267 StPO.
Vgl. Schmid/Jositsch (Fn. 1), N 1119 ff.
Näheres dazu hinten,II.A.
Vgl. Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 3.
Näheres dazu hinten, VII.
Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 7.
BGE 126 I 50, E. 4c; Aepli, Die strafprozessuale Sicherstellung von elektronisch gespeicherten Daten, Zürich 2004, 59; Bommer, in: Schwarzenegger/Arter/Jörg (Hrsg.), Internet-Recht und Strafrecht, Bern 2005, 178; Thommen, in: Ackermann (Hrsg.), Kommentar Kriminelles Vermögen – Kriminelle Organisationen: Einziehung, Kriminelle Organisation, Finanzierung des Terrorismus, Geldwäscherei, Bd. I, Zürich/Basel/Genf 2018, Art. 69 N 137; Trechsel/Jean-Richard, in: Trechsel/Pieth (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, Art. 69 N 1; a.M. Heimgartner, Strafprozessuale Beschlagnahme, Wesen, Arten und Wirkungen, Zürich/Basel/Genf 2011, 89.
Zum Ganzen vgl. Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 7.
OGer Schaffhausen, 14.11.2008, SJZ 105/2009, 510 f.; vgl. Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 9 f.
BGE 130 I 360, E. 1.2.
Vgl. Heimgartner (Fn. 12), 14; Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 4a. Die Voraussetzung des öffentlichen Interesses für die Einschränkung von Grundrechten gemäss Art. 36 Abs. 2 BV «versteckt» sich dabei nach der Lehre im hinreichenden Tatverdacht gemäss Art. 197 lit. b StPO: das öffentliche Interesse liege in der Strafverfolgung bzw. in der Durchsetzung eines allfälligen staatlichen Strafanspruchs. Dies setzt einen mindestens hinreichenden Tatverdacht voraus, um dessen Klärung es im Verfahren geht, vgl. Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 11 m.w.N.
Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 4.
Vgl. Fn. 4.
Näheres dazu Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 14.
BGE 124 IV 313, E. 4; BGE 122 IV 91, E. 4; BGer vom 07.06.2005, 1S.16/2005, E. 5.2; BGer vom 03.09.2002, 8G.73/2002, E. 3 und 4; kritisch zum hinreichenden Tatverdacht als Voraussetzung der Beschlagnahme Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 18 ff.
Heimgartner (Fn. 12), 126.
BGE 124 IV 313, E. 4; vgl. BGE 122 IV 91 E. 4; BGer vom 07.06.2005, 1S.16/2005, E. 5.2; BGer vom 03.09.2002, 8G.73/2002, E. 3 und 4.
BGE 137 IV 122, E. 3.2; BGE 124 IV 313, E. 4; BGer vom 23.02.2012, 1B_588/2011, E. 6.1.
BGer vom 27.03.2007, 1B_34/2007, E. 3.3; BGer vom 10.10.2012, 1B_501/2012, E. 5.2.
BStGer vom 14.09.2018, BB.2018.114, E. 3.1; BStGer vom 30.05.2011, BB.2011.25, E. 3.2.
BGer vom 26.07.2013, 1B_230/2013, E. 5.1.2-5.1.5 m.w.H.
BGer vom 17.12.2007, 1B_139/2007.
BGE 137 IV 127; BGE 116 Ia 143.
BStGer vom 14.07.2009, BV.2009.16.
BGer vom 09.01.2012, 1B_636/2011, E. 2.2.3.
BGE 130 I 360, E. 1.2.
Hug/Scheidegger, ZK StPO (Fn. 1), Art. 197 N 18.
BGE 133 I 81; BGE 134 I 218.
Zum Ganzen Hug/Scheidegger, ZK StPO (Fn. 1), Art. 197 N 20.
Weber, BSK StPO (Fn. 1), Art. 197 N 11.
BGE 131 I 425, E. 6.4.
Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 15.
Vgl. vorne, II.A.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 1 StPO: «[…] wenn die Gegenstände und Vermögenswerte voraussichtlich […] gebraucht werden».
Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 12.
BGer vom 25.10.2007, 1B_157/2007, E. 2.2.
BStGer vom 04.07.2012, BB.2012.10, E. 3.1, wobei hiervon die Deckungs- und Ersatzforderungsbeschlagnahmen ausgenommen sind.
Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 13.
Weber, BSK StPO (Fn. 1), Art. 197 N 11; vgl. hinten, VI.
Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 14.
Näheres dazu Heimgartner (Fn. 12), 109 ff.
Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 12; a.M. Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 11, die ein laufendes Strafverfahren voraussetzen.
Vgl. Pieth, Schweizerisches Strafprozessrecht, 3. Auflage, Basel 2016, 158.
Wobei hiervon die Deckungs- und Ersatzforderungsbeschlagnahmen ausgenommen sind.
BStGer vom 17.08.2013, BB.2012.1657, E. 3.1; BGer vom 16.07.2002, 1A.95/2002, E.3.3; wobei auch sehr knappe, rudimentäre Begründungen von der Rechtsprechung als genügend angesehen werden, vgl. BStGer vom 14.09.2018, BB.2018.114, E. 4.3.
BGer vom 20.03.2014, 1B_18/2014, E. 2.2.
Zur Terminologie vgl. Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 7 ff.
Vgl. Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 7 ff.
Vgl. dazu ausführlich Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Art. 263 N 9 ff.
Grundbuchverordnung vom 23. 09.2011 (SR 211.432.1, GBV); vgl. Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 8.
Zum Ganzen Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 266 N 1 ff.
Schmid/Jositsch (Fn. 1), N 1129 Fn. 445; Bommer/Goldschmid, BSK StPO (Fn. 1), Vor Art. 263-268 N 8.
Schmid/Jositsch (Fn. 1), N 1131.
Näheres bei Heimgartner, ZK StPO (Fn. 1), Art. 267 N 6.
Vgl. BGer vom 24.09.2018, 1B_134/2018, E. 2.7.
BStGer vom 31.08.2018, BB.2018.84.
BStGer vom 31.08.2018, BB.2018.84, E. 3.1.
BStGer vom 31.08.2018, BB.2018.84, E. 3.2 ff.
Vgl. Henzelin/Rordorf, When does the length of criminal proceedings become unreasonable according to the Court of Human Rights?, in: New Journal of European Criminal Law, 05/01, 2014.
Art. 6 Ziff. 1 EMRK: «Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.»
Urteil des EGMR vom 27.02.1980, Deweer v. Belgium, No. 6903/75, § 46.
Urteil des EGMR vom 27.02.1980, Deweer v. Belgium, No. 6903/75, § 44.
Urteil des EGMR vom 18.07.1994, Vendittelli v. Italy, No. 14804/89, § 21.
Zum Ganzen: Urteile des EGMR vom 10.09.2010, McFarlane v. Ireland, No. 3133/06, §140; Urteil des EGMR vom 22.05.2012, Idalov v. Russia, No. 5826/03, § 186.
Näheres dazu und mit ausführlicher Analyse bei Henzelin/Rordorf (Fn. 64), 82.
BGer vom 16.08.2018, 1B_34/2018, E. 3.1; BStGer vom 31.08.2018, BB.2018.84, E. 2; vgl. zur Entsiegelung BGer vom 25.10.2017, 1B_269/2017, E. 3.1.
Art. 263 Abs. 1 i.V.m. Art. 197 Abs. 2 StPO.
BGer vom 06.07.2018, 1B_26/2018, E. 3.9: «Der Beschwerdeführer 1 ist im Übrigen Beschuldigter und wirtschaftlich berechtigter Mitinhaber des betroffenen Kontos. Insofern ist hier auch kein besonders strenger Massstab an die Verhältnismässigkeit der Beschlagnahmen anzulegen». E contrario dürfte in Konstellationen, in welchen eine Beschlagnahme gegenüber einer nicht beschuldigten Person angeordnet wird, ein besonders strenger Massstab an die Verhältnismässigkeit der Beschlagnahme anzulegen sein.
Insbesondere in Bezug auf den hinreichenden Tatverdacht, mithin bei Vorliegen derselben Straftat.
Etwa in Bezug auf die Komplexität des Falles oder den Tatverdacht.
Vgl. vorne, VI.B.