Gesetzesumgehung im japanischen Sexualstrafrecht?

Marvin StarkGesetzesumgehung im japanischen Sexualstrafrecht?LContraLegem20192229238

Gesetzesumgehung im japanischen Sexualstrafrecht?

Marvin Stark

Veraltete Gesetze und aktuelle Herausforderungen

Art. 175 des japanischen Strafgesetzbuches vom 24. April 1907 (刑法, keihō; jStGB) erklärt den Vertrieb, Verkauf und das Bereitstellen von obszönem Material für strafbar. Trotzdem werden in Japan je nach Quelle jährlich zwischen 13’000 und 20’000 pornografische Filme produziert.549 Auch die Prostitution ist in Japan ein massives, etabliertes Gewerbe, das vom Grossteil der Bevölkerung und der Polizei als Lebenstatsache akzeptiert wird.550 Doch auch diese ist gemäss Art. 3 des Gesetzes zur Prävention der Prostitution vom 24. Mai 1956 (売春防止法, baishun bōshi hō; PPrävG) verboten. Ziel dieses Beitrages ist es, der Frage nachzugehen, wie die Erklärung dieser Phänomene mit Blick auf das Gesetzlichkeitsprinzip zu würdigen ist und ob sie allenfalls in einer Gesetzesumgehung gründet.

Grundsätzliches

Da das japanische Strafrecht bei seiner Entstehung vom europäischen Strafrecht beeinflusst wurde, wird es wie in vielen europäischen Staaten von Feuerbachs Formel «nullum crimen, nulla poena sine lege» getragen. Demnach darf es weder eine Straftat noch eine daran anknüpfende Strafe geben, solange dies nicht vor Tatausübung in einer genügend bestimmten gesetzlichen Regelung verankert worden ist. Zum Gehalt des Grundsatzes gehört u.a. auch das Verbot der Auslegung durch Analogieschluss. Der Gesetzeswortlaut darf demnach nicht derart ausgedehnt werden, dass eine Bestrafung des Täters in ähnlichen, aber ursprünglich nicht von der möglichen Wortbedeutung umfassten Bereichen möglich ist.551 Daraus folgt, dass Strafbestimmungen grundsätzlich so formuliert werden müssen, dass ihr Adressat sein Verhalten danach richten kann. Von Zeit zu Zeit kann es aber in Strafgesetzen zu Lücken kommen zwischen dem Wortlaut einer Norm und deren Sinn und Zweck. Wird diese Lücke vom Adressaten in einer Art und Weise ausgenutzt, die zur Straflosigkeit führt, 230 spricht man von einer Gesetzesumgehung.552 Eine solche Lücke könnte höchstens durch einen Analogieschluss geschlossen werden, dieser ist im Strafrecht aber mit Blick auf das Gesetzlichkeitsprinzip verboten. Somit muss die Straflosigkeit hingenommen werden, bis der zuständige Gesetzgeber die Lücke geschlossen hat.553 Im Gegensatz zur europäischen Auffassung zeichnet sich die japanische Gerichtspraxis dadurch aus, dass der Wortlaut der existierenden Strafbestimmungen sehr weit ausgelegt wird, anstatt dass Strafbarkeitslücken vom Gesetzgeber durch neue Tatbestände geschlossen werden.554 Ob es sich bei dieser extensiven Auslegung von Straftatbeständen um eine durch das Gesetzlichkeitsprinzip verbotene Auslegung durch Analogieschluss handelt, ist indes umstritten. Während ein Teil der Lehre die Auffassung vertritt, dass eine bewegliche Auslegung im Hinblick auf nicht vorhersehbare gesellschaftliche Veränderungen gerade nötig sei, zweifelt der andere Teil der Lehre an einer Vereinbarkeit mit dem Gesetzlichkeitsprinzip.555

Pornografie

Gesetzliche Regelung

Nach dem 1907 erlassenen Art. 175 jStGB wird mit Gefängnis, mit Arbeitspflicht von nicht mehr als zwei Jahren, einer Geldstrafe von nicht mehr als 2.5 Millionen Yen oder einer Busse bestraft, wer obszöne Dokumente, Zeichnungen oder andere Objekte vertreibt, verkauft oder öffentlich zur Schau stellt. Dasselbe gilt für Personen, welche solches Material mit der Absicht besitzen, es zu verkaufen. Weil das jStGB keine Definition für den Begriff der Obszönitäten kennt, wird in der japanischen Lehre über dessen Umfang gestritten. Die herrschende Lehre vertritt die Meinung, dass digitale Pornografie nicht darunterfalle, da es bei Verabschiedung des Artikels im Jahre 1907 noch keine digitalen Medien gab und der Gesetzgeber somit eine Strafbarkeit für solche Sachverhalte nicht voraussehen konnte.556 Der Oberste Gerichtshof Japans ist dagegen der Auffassung, dass auch die digitale Pornografie vom Begriff der Obszönitäten umfasst sei.557 Dies entspricht der genannten Praxis der weiten Auslegung der Gesetzesartikel durch die japanischen Gerichte. Als «obszön» zu verstehen sind nach der japanischen Rechtsprechung jegliche Objekte, welche aufgrund ihrer stark triebhaften Beschaffenheit das Schamgefühl eines Durchschnittbürgers und damit auch die guten Sitten verletzen.558

Faktizität

Um den heutigen Umgang Japans mit Pornografie besser zu verstehen, ist vor allem der Geschichte auf den Grund zu gehen. Als schintoistisch geprägtes Land war die Sexualität in Japan nie negativ konnotiert, wie dies im Christentum der Fall ist. Die Sexualität wurde nicht als etwas Schmutziges angesehen. So gab es viele künstlerische Darstellungen mit sexuellen Inhalten und die überspitzte Abbildung von Sexualorganen war keine Seltenheit. Auch Nacktheit war kein Tabu; öffentliche gemischtgeschlechtliche Bäder, in welchen nackt gebadet wurde, waren selbstverständlich. All dies begann sich zu ändern, als Japan gegenüber dem Westen geöffnet wurde. Plötzlich wurde das vorher Alltägliche von Westlern als primitiv und obszön beschimpft. Um in der internationalen Staatengemeinschaft von seiner stereotypisierten Rolle als primitiver Staat wegzukommen und stattdessen als moderne und zivilisierte Nation dazustehen, übernahm Japan westliche Standards in vielen gesellschaftlichen Bereichen. So wurden die Bäder nach Geschlech- 231 tern getrennt und erste Gesetze erlassen, welche für die öffentliche Moral schädliche Objekte verbaten.559 Der Begriff «Obszönität», das Verbot des öffentlichen Zugänglichmachens und des Verkaufs obszöner Darstellungen fanden 1880 in Art. 259 ihren Weg ins japanische Strafgesetzbuch. 1907 wurde das revidierte jStGB mit dem erwähnten Art. 175 erlassen.560

Als die Video-Pornografie aufkam, war zunächst unklar, welche filmischen Darstellungen unter die Obszönitätsnorm fallen. Daher gründeten einige Pornografie-Filmunternehmen 1972 den sog. nihon bideo rinri kyōkai (日本ビデオ倫理協会; Japan Video-Ethik Verein), abgekürzt Biderin genannt, welcher die gedrehten Videos vor ihrer Veröffentlichung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Obszönitäts-Artikel überprüfen sollte. Der Verein basierte auf rein freiwilliger Basis und wollte verhindern, dass der Staat den Filmemachern zuvorkommt und die Produktion ihrer Videos verbietet. Aufgrund fehlender staatlicher Autorität war es Biderin aber nicht möglich, rechtlich gegen Filmemacher vorzugehen, welche sich nicht an die von ihnen aufgestellten Regeln hielten. Um trotzdem das Bild zu erzeugen, dass es sich bei ihrer Organisation um eine staatlich anerkannte oder gar eine staatliche Behörde handle, zog sie ehemalige Polizeioffiziere bei, welche sie bei ihrer Kontrolle der Videos unterstützten. Dadurch entstand eine quasi-staatliche Agentur der grössten Pornografie-Studios, welche durch ihr Handeln faktisch neue Unternehmen der Branche vom Markt verdrängte – in facto also als Kartell agierte. Biderin trug lange dazu bei, dass sich die Pornografie-Studios an die von ihm geschaffenen Kriterien hielten oder ihre Filme zur Kontrolle übergaben mit der Überzeugung, so vor einer Strafverfolgung geschützt zu sein.561 Beim Screening des Video-Materials war Biderin bei der Auslegung des Art. 175 jStGB sehr streng.562 Nach der Auffassung von Biderin musste in pornografischen Darstellungen der gesamte Genitalbereich beider Geschlechter verschwommen dargestellt werden, was dazu führte, dass in vielen japanischen Pornofilmen der 80er Jahre der gesamte untere Bereich der Darsteller unkenntlich gemacht wurde.563 Mit der Zeit waren viele Pornografie-Unternehmen zunehmend unzufrieden mit den strengen, von Biderin aufgestellten Kriterien.564 Daher schlossen sich 1996 einige Indie-Filmemacher zusammen und gründeten einen eigenen Verein zum Screening von pornografischen Medien, den sog. media rinri kyōkai (メディア倫理協会, Medien-Ethik Verein), abgekürzt Medirin. Da auch viele andere pornografische Filmstudios genug hatten von Biderins überholter Screening-Praxis, ging ein Grossteil zu Medirin über und liess diesen ihre Videos überprüfen. Die Machtlosigkeit Biderins gegenüber gleichartigen Vereinen wurde damit bestätigt. In der Folge wurden weitere ähnliche Vereine gegründet. Diese lockerten zunehmend die Kriterien zur Veröffentlichung pornografischer Medien, indem sie kleinere und schmalere Mosaike über die Geschlechtsteile der DarstellerInnen anbrachten.565 Aufgrund dieses Wandels fühlte sich Biderin unter Druck gesetzt, weshalb er ab 2006 die Darstellung von Ani und Schambehaarung ebenfalls zuliess und die Mosaike 232 verschmälerte.566 Paradoxerweise wurde Biderin genau dies zum Verhängnis. Am 29. August 2007 führte die Tokioter Polizei völlig unerwartet eine Razzia bei Biderin und einiger Mitglieder durch und beschlagnahmte zahlreiche Videos. Am 1. März 2008 wurden schliesslich fünf Personen verhaftet. Dies löste sowohl in der japanischen Pornografie-Industrie als auch der gesamten japanischen Gesellschaft grosses Aufsehen aus, denn aufgrund der jahrelangen, marktbeherrschenden Stellung Biderins und dem Stillschweigen der Behörden hatte keiner damit gerechnet.567 Als der Fall vor das Tokioter Obergericht kam, wurde klar, dass der Grund für die Verhaftung die plötzliche Milderung der Screening-Kriterien war. In der Anklageschrift wurde vorgebracht, dass Biderin durch die Lockerung der Kriterien seine eigenen kommerziellen Interessen vor die Vereinsinteressen gestellt und somit seine Rolle als «Hüter der Moral» unterminiert hatte. Biderin bestritt dies und brachte vor, dass sich die moralischen Ansichten gegenüber Pornografie in der Gesellschaft verändert hätten und sie sich durch die neuen Kriterien dieser Änderung angepasst hätten.568 Nichtsdestotrotz waren die Richter des Tokioter Obergerichts anderer Meinung und brachten vor, Biderin habe es versäumt, seine Rolle gesetzesgemäss wahrzunehmen. Nach Weiterzug ans Tokioter Appellationsgericht, welches das Urteil bestätigte, wurden die fünf Angeklagten zu Bussen von je ¥ 500’000 verurteilt.569 Wichtiger aber war, dass das Urteil den langjährig, marktdominierenden Verein Biderin zu Fall brachte. Das daraufhin entstandene Chaos auf dem Pornografie-Markt Japans führte dazu, dass ehemalige Biderin-Mitglieder im Juni 2008 eine neue Assoziation bildeten. Diese fusionierte im Dezember 2010 mit der zwischenzeitlich in Contents Soft Association (CSA) umbenannten Medirin in die eizō rinri kikō (映像倫理機構, Video-Ethik Organisation), abgekürzt Eizōrin.570 Die bis heute tätige Eizōrin hat noch immer mit grossen Unsicherheiten zu kämpfen. Daher versucht auch sie eine staatliche Anerkennung zu bewirken. Da die japanische Verfassung jedoch die Meinungsäusserungsfreiheit gewährleistet, käme die Ausführung der Medienkontrolle durch eine staatliche bzw. staatlich-anerkannte Behörde einer verfassungswidrigen Zensur gleich.571 Daher bleibt Eizōrin nichts anderes übrig, als in Zukunft seine Praxis wie bisher weiterzuführen. Um den vom Tokioter Obergericht kritisierten Interessenkonflikt zu beseitigen, besteht die Organisation nun nicht mehr aus den Pornografie-Filmemachern selbst, sondern aus neutralen Drittpersonen. Auch der Einbezug von ehemaligen Polizeioffizieren wurde eingestellt. Stattdessen besteht das Gremium nun aus einer Vielzahl Experten aus verschiedenen Bereichen; u.a. aus einem Anwalt, einem Kommunikations- und einem Soziologie-Dozenten.572

Würdigung

Aus der Umschreibung der Obszönitäten ergibt sich, dass es Sinn und Zweck von Art. 175 jStGB ist, die öffentliche Sittlichkeit zu wahren. Nimmt man die Schweiz als Vergleich, so kennt auch diese eine Strafbestimmung gegen Pornografie (Art. 197 StGB). Im Gegensatz zu Japan beschränkt sich das Pornografie-Verbot in Art. 197 Abs. 3 und 4 StGB aber auf eine bestimmte Art der Pornografie (sog. harte Pornografie). Ratio legis für dieses Verbot ist einerseits der Schutz der potentiellen «Darsteller» vor sexueller Ausbeutung, Gewalt und erniedrigender bzw. menschenunwürdiger Behandlung und andererseits der Gedanke, dass der Konsum solcher Pornografie beim Verbraucher die Bereitschaft erhöhen könnte, die dargestellten Hand- 233 lungen selbst vorzunehmen.573 Auch in der Schweiz war aber bis zur Gesamtrevision des Sexualstrafrechts im Jahr 1992 Zweck der Pornografie-Strafnorm die Wahrung der öffentlichen Sittlichkeit, wobei vom Bundesgericht insbesondere auch auf die christliche Ethik Bezug genommen wurde.574 Heutzutage gilt dagegen, dass es in einem modernen Staat nicht die Aufgabe des Strafrechts ist, die Rolle der Sittenpolizei zu übernehmen. Vielmehr muss gerade mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot und der Rolle des Strafrechts als ultima ratio aus einer Norm klar erkennbar sein, welches Rechtsgut sie schützt.575 An dieser Mangelhaftigkeit leidet Art. 175 jStGB noch heute. Sinn und Zweck der Norm sind sehr unklar und vor langer Zeit unter Einfluss westlichen Drucks entstanden. Ob nun ein kleines Mosaik die Geschlechtsteile der Darsteller verbirgt oder nicht, macht meines Erachtens keinen Unterschied im Hinblick auf das ohnehin sehr unbestimmte Rechtsgut der öffentlichen Moral. Nicht die detaillierte Darstellung von Geschlechtsteilen führt zu den befürchteten Nachteilen bei den Pornografiekonsumenten, sondern, falls überhaupt, die Szenerie als Ganzes. So ist etwa die Darstellung simulierter sexueller Gewalt selbst mit Verpixelung grundsätzlich moralisch fragwürdig. Es scheint, als würden sich die japanischen Pornografie-Studios mit viel Einfallsreichtum und stetiger Lockerung der selbst aufgestellten Regeln mehr und mehr von einer veralteten Strafbestimmung entfremden. Ob von einer Gesetzesumgehung gesprochen werden kann, bleibt unklar, insbesondere mit Blick auf die japanische Gerichtspraxis, in der eine weite Auslegung des Wortlauts üblich ist. Sicherlich ist die Norm mit vielen Unsicherheiten verbunden, weshalb eine Revision im Sinne einer Einschränkung des Verbots auf harte Pornografie die Lage für alle Beteiligten vereinfachen würde. Der japanische Gesetzgeber sieht aber nicht tatenlos zu. Erste Schritte in Richtung einer Definition verbotener Pornografie wurden unternommen: 1999 wurde das Gesetz zum Schutz des Kindes, zur Verfolgung entgeltlichen sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie von Kinderpornografie erlassen, welches den Umfang der Strafbarkeit im Gegensatz zu Art. 175 jStGB erheblich erweitert. Darin ist die Kinderpornografie genau definiert, auch bereits Nacktfotos fallen darunter.576 2014 wurde zudem das sog. Rachepornografiegesetz erlassen, welches als zusätzliches Rechtsgut die Ehre eines unfreiwilligen «Darstellers» schützt und eine engere Definition der Pornografie kennt, welche auch Nacktfotos umfasst.577 Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die Pornografie-Gesetze Japans in Zukunft entwickeln werden und ob eine ähnliche Entwicklung wie in der Schweiz zu beobachten sein wird.

Prostitution

Gesetzliche Regelung

Japan kennt zwei Gesetze, welche sich die Regelung der Prostitution zur Aufgabe gemacht haben: Das Gesetz zur Prävention der Prostitution von 1956 (PPrävG) und das Gesetz von 1948 über die Regulierung von Geschäften, welche die «öffentliche Moral» und die Korrektheit des Unterhaltungsgewerbes betreffen (風俗営業等の規制及び業務の適正化等に関する法律, fūzoku eigyō tō no kisei oyobi gyōmu no tekiseika tō ni kansuru hōritsu; GRegG). Der Zweckartikel Art. 1 PPrävG klärt darüber auf, dass durch das Verhindern der Prostitutions-Förderung die Menschenwürde, die sexuelle Moral und die Gesellschaft geschützt werden sollen. Art. 2 PPrävG enthält eine gesetzliche Definition der Prostitution. Als solche gilt der Geschlechtsverkehr mit einer beliebigen bzw. fremden Person gegen Entgelt oder gegen das Versprechen 234 eines Entgeltes. Unter den Begriff Geschlechtsverkehr fällt hierbei bloss der Koitus (Vereinigung der geschlechtlichen Organe).578 Nach Art. 3 PPrävG ist die Prostitution sowohl für die Prostituierte als auch den Freier verboten. Die Gesetzesmarginale spricht dabei unverkennbar und entgegen dem Titel des Gesetzes von einem Verbot der Prostitution (売春禁止, baishun kinshi). Die Norm droht bei Verstoss jedoch keine Strafe an, ist also nicht strafrechtlicher Natur.579 Grund dafür ist, dass das Gesetz auf die Bestrafung Dritter ausgelegt ist, welche von der Prostitution profitieren und nicht die Prostituierten selbst bestrafen soll.580 So zählt einzig der unter dem Titel «Strafbestimmungen» stehende zweite Abschnitt des Gesetzes die unter Strafe gestellten Verhaltensweisen auf. Darunter fallen die Anwerbung zur Prostitution (Art. 5 Abs. 1 PPrävG), die Vermittlung zur Prostitution (Art. 6 Abs. 1 PPrävG), das Erwirken der Prostitution durch äusseren Druck oder Ähnlichem (Art. 7 PPrävG), die vertragliche Verpflichtung zur Prostitution (Art. 10 Abs. 1 PPrävG) sowie die Verpflichtung zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes (Art. 12 PPrävG).

Das GRegG reguliert und kontrolliert zusammen mit dem PPrävG die Sexindustrie. Zweck des Gesetzes ist die Wahrung der guten Moral, das Schaffen einer hygienischen Umwelt sowie der Jugendschutz (Art. 1 GRegG). Neben diversen anderen Formen der Unterhaltungsbranche kennt das Gesetz eine Reihe von legalen sexuellen Dienstleistungen, u.a. die sog. «fashion health-Einrichtungen», soaplands und love hotels.581 Das Gesetz unterstellt Unternehmen, welche eine solche Einrichtung eröffnen möchten, einer lokalen Bewilligungspflicht (Art. 3 f. und 9 GRegG). Zur Erteilung einer solchen Bewilligung muss das Unternehmen insbesondere die Bestimmungen des PPrävG oder des Gesetzes zum Schutz des Kindes und zur Verfolgung entgeltlichen sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie von Kinderpornografie beachten (Art. 4-2 GRegG). Ausserdem regelt das Gesetz die wichtigsten Grundbedingungen, wie etwa Abstandvorschriften zu Schulen (Art. 28 Abs. 2 GRegG), die Öffnungszeiten der Einrichtungen (Art. 52 GRegG) und die Werbung für die Beschäftigung (Art. 53 GRegG).

Faktizität

Wie auch bei der Gesetzgebung zur Pornografie, hat die lange Geschichte der Prostitution Einfluss auf die heutige Faktenlage. Bis ins 19. Jahrhundert waren Prostituierte zugelassen und arbeiteten häufig als vertraglich angestellte Bedienstete.582 Zwar gab es bereits in der Edo-Zeit (1603-1868) Gesetze zur Prostitution, diese blieben jedoch weitgehend unbeachtet. In der Meiji-Zeit (1868-1912) gab es eine Verordnung, welche die Prostitution hätte verbieten sollen. Auch diese blieb aber unwirksam.583 Als Japan nach dem Zweiten Weltkrieg von Amerika besetzt wurde, herrschten miserable Zustände. Vergewaltigungen japanischer Frauen durch die amerikanischen Besatzungstruppen stellten ein andauerndes Problem dar.584 Aus diesem Grund wurde 1945 die sog. «Recreation and Amusement Association» gegründet, welche zum Ziel hatte, Prostituierte für die amerikanischen Soldaten bereitzustellen, um so andere Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen.585 Dies führte jedoch zur Verbreitung diverser Geschlechtskrankheiten.586 Sowohl den Ameri- 235 kanern als auch den Japanern war klar, dass eine Veränderung nötig war. 1946 verlangte MacArthur, Oberbefehlshaber über die Besatzungstruppen, die Einführung eines Prostitutions-Präventionsgesetzes. 1948 forderte das Hauptquartier der Besatzungsmacht gar ein institutionelles Verbot der Prostitution.587 Im Gegensatz zur Gesetzgebung zur Pornografie standen hinter den Gesetzesvorschlägen jedoch weniger ethische Überlegungen. Vielmehr sollte das Gesetz die zunehmende Verbreitung von Geschlechtskrankheiten verhindern.588 Nichtsdestotrotz brachten die Amerikaner auch vor, dass eine lizensierte Prostitution nicht mit den Idealen einer modernen Demokratie und den Entwicklungen der individuellen Freiheit vereinbar sei.589 Die Prostitution zu verbieten stand aber eigentlich nie in Frage. An der Weiterführung derselben hatten die amerikanischen Soldaten nämlich eigene Interessen. Die Japaner befürworteten das Gesetz, um zu verhindern, dass sich die Amerikaner an japanischen Frauen vergehen.590 So kam es 1958 zur Einführung des noch heute geltenden PPrävG und zum Ende der lizenzierten Prostitution. Nach der Einführung des Gesetzes wurde die nun verbotene Prostitution schnell zum Monopol der Yakuza, der japanischen Mafia, welche die Prostitution unter dem Deckmantel neuer Bezeichnungen weiterführte.591 Durch die laufende Revision des GRegG und dessen Ergänzung mit den neuen Formen der Unterhaltungsindustrie wurde dem entgegengewirkt.592 Die Prostitutionsdefinition in Art. 2 PPrävG hat bis heute aber zu einigen einfallsreichen Ausprägungen deren Ausübung geführt. Der enge Wortlaut von Art. 2 PPrävG zieht vor allem zwei Folgen nach sich: Die erste betrifft die Art der Sexualpraktik. Da das Gesetz bloss das Anbieten des Koitus gegen Entgelt als Prostitution definiert, wird das Anbieten aller anderen Sexualpraktiken nicht erfasst. Diese werden dementsprechend offen gegen Entgelt angeboten.593 Die zweite Folge betrifft den Freier. Dieser muss nach der gesetzlichen Definition eine fremde Person sein. Eine private Vereinbarung zwischen zwei miteinander bereits bekannten Personen fällt somit nicht unter das PPrävG und ist aus diesem Grunde nicht unrechtmässig.594

Gehen wir nun einigen der im GRegG genannten Einrichtungen der japanischen Sexindustrie und deren Vereinbarkeit mit dem PPrävG auf den Grund. Einführend muss hierzu festgestellt werden: Bereits die Tatsache, dass das GRegG verschiedene legale sexuelle Dienstleistungen aufzählt, ist ein Anzeichen dafür, dass der japanische Gesetzgeber gar nie die Absicht hatte, das Sexgewerbe einzudämmen. Vielmehr wollte er sich die Möglichkeit offenlassen, das Gesetz an die aktuellen Formen der Unterhaltungsbranche anzupassen.595 Die angesprochenen «fashion health-Einrichtungen» sind Massagesalons, welche ihr Angebot auf Sexualpraktiken beschränken, welche mit dem PPrävG vereinbar sind.596 Denkbare Arten erlaubter käuflicher Dienste sind der Oral-, Anal-, Mammal- und Schenkelverkehr oder die manuelle Stimulation der Geschlechtsteile. Die soaplands sind Badehäuser, welche das Prostitutionsverbot gleich durch beide Lücken der Prostitutionsdefinition umgehen. An der Theke dieser Einrichtung bezahlt der Kunde für das Benutzen der Badeeinrichtungen und die Körperpflege durch eine Dame. Beim «Einseifen» findet dann zugleich eine Genitalmassage statt, 236 welche bekanntlich nicht unter eine Sexualpraktik fällt, welche das PPrävG verbietet.597 Darüber hinaus wurde aber ein Ausweg entdeckt, um den Koitus gegen Entgelt anzubieten. Vollziehen die im soapland angestellte Frau und ihr Kunde den Beischlaf, verstösst das Badehaus nicht gegen Art. 3 PPrävG, da seine Dienstleistung einzig in der Zurverfügungstellung der Badeeinrichtung und einer Pflegedame besteht. Der Kunde kann die Frau aber zusätzlich für den Koitus bezahlen. Sie haben sich bei Gelegenheit des Badens kennengelernt und treffen eine persönliche Vereinbarung über Geschlechtsverkehr gegen Entgelt, was die Formulierung des Prostitutionsbegriffs von Art. 2 PPrävG zulässt.598 Schliesslich werden love hotels (gewöhnliche Stundenhotels, die von japanischen Paaren für den Liebesakt genutzt werden) für entgeltliche Sexualpraktiken beansprucht,599 wobei nicht ignoriert werden darf, dass es auch Prostituierte gibt, die darin in illegaler Weise Koitus gegen Entgelt anbieten und mit ihren Freiern vollziehen.600 Erfahrungsgemäss sind sich die Beteiligten der japanischen Sexindustrie zumal in der Annahme weitgehend einig, dass sie die Polizei kaum strafrechtlich verfolgen wird, wenn sie den Koitus gegen Entgelt anbieten; denn der Beweis, dass mit den genannten Techniken das PPrävG verletzt wird, ist nahezu unmöglich. Der Polizei wird es kaum gelingen, nachzuweisen, welche Art des Geschlechtsverkehres die beteiligten Personen vollzogen haben und ob sie sich bereits kannten. Zudem könnte von einer Anklage mit der Behauptung ausgewichen werden, die Angestellte der Einrichtung und der Kunde hätten sich an Ort und Stelle ineinander verliebt und einvernehmlichen Sex gehabt.601

Würdigung

Fraglich ist bereits, ob es je das Ziel des PPrävG war, die Prostitution zu verbieten. Vielmehr entstand dieses Gesetz durch Einfluss der amerikanischen Besatzungsmacht und dem damaligen Problem der sich verbreitenden Geschlechtskrankheiten. Nichtsdestotrotz hält sich das japanische Sexgewerbe peinlich genau an den Wortlaut des PPrävG. Die gemeinsame ratio legis der beiden Gesetze ist die Wahrung der öffentlichen Moral. Trotzdem verbietet das eine Gesetz die Prostitution und das andere reguliert die sehr wohl existierende Sexindustrie. Da die – die beiden Gesetze zusammenhaltende – Definition der Prostitution sehr eng gefasst ist, entsteht eine Lücke zwischen Wortlaut sowie Sinn und Zweck der auf dieser Definition beruhenden Strafbestimmungen. Was den Art. 3 PPrävG anbelangt, so ist bereits fragwürdig, wozu die Norm überhaupt dient, insbesondere weil die sich im Gesetz befindenden Strafbestimmungen weitgehend vergleichbar sind mit dem in der Schweiz geltenden Art. 195 StGB. Rechtsgut dieses Artikels ist indessen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten,602 also ein ganz anderes als dem PPrävG und dem GRegG zugrunde liegt. Geht man von der Existenz eines Konstrukts wie einer öffentlichen oder «guten» Moral aus, eignet sich ein Verbot der Prostitution, um jene zu wahren. Wird der Begriff jedoch derart eng ausgelegt, wie dies im PPrävG der Fall ist, und entwickelt sich ein Prostitutionsmarkt, welcher mit allen Mitteln versucht, Lücken im Begriff zu entdecken, muss von einer Gesetzesumgehung gesprochen werden. Entsprechend nannte Nakayama das Gesetz anlässlich seines 237 dreissigjährigen Jubiläums ein sog. zaru hō (笊法), ein «Sieb-Gesetz», welches durchlässig und somit unwirksam ist.603 Es scheint, als hätte sich die gesamte japanische Gesellschaft mit der Faktenlage bezüglich der letzten 61 Jahre abgefunden und sich so gut wie möglich damit arrangiert.

Wie Aoyama festhält, haben das PPrävG und das GRegG die Prostitution in Japan nicht gestoppt, sondern sie vielmehr in einem Graubereich versteckt, in welchem sie inoffiziell neben einer Reihe legaler und regulierter, sexueller Dienste koexistiert. Dass die Prostitution einerseits durch das PPrävG geächtet und unter strafrechtlichen Schutz gestellt, aber andererseits durch das GRegG normalisiert wird, führt zu einer schwierigen Situation für SexarbeiterInnen. Einerseits befinden sie sich in einem ungewissen Bereich, in welchem sie den Launen der Polizei ausgeliefert sind, andererseits verschwimmen die Grenzen zwischen Sexarbeitern und Nicht-Sexarbeitern. Auch die erwähnte Argumentation der Soapland-Betreiber, dass sich die Angestellte und der Kunde an Ort und Stelle kennengelernt und eine private Abrede getroffen hätten, schützt die Prostituierte vor einer strafrechtlichen Verfolgung. Anstatt hilfreich zu sein, führt diese Logik aber zu noch grösseren Unsicherheiten und Gefahren für die Sexarbeiterinnen, da sie dadurch in einem Graubereich zwischen Legalität und Illegalität arbeiten und es ihnen an nötigem Schutz fehlt.604 Es fällt auch auf, dass der Gesetzgeber, anstatt zu handeln und die Lücke in der Prostitutionsdefinition zu schliessen oder das Prostitutionsverbot aufzuheben, sich durch das Anpassen des GRegG an PPrävG-konforme sexuelle Dienstleistungen selbst an der Gesetzesumgehung beteiligt. Insbesondere mit Blick auf die ansonsten grundsätzlich weite teleologische Auslegung von Straftatbeständen durch japanische Gerichte ist das strikte Festhalten am Wortlaut der Prostitutions-Definition verwunderlich. Matsuzawa argumentiert, dass der Gesetzgeber diesen Graubereich absichtlich erschaffen hat, um eine Pufferzone zu erzeugen, in welcher Geschäfte, welche im GRegG geregelt werden, nicht strafrechtlich verfolgt werden können. Stattdessen bleiben die Einrichtungen legal und die Polizei kann sie inoffiziell beobachten. Dadurch kann sie zusätzlich verhindern, dass die neuen Geschäftszweige nicht in die Unterwelt abdriften und sie die Kontrolle darüber verliert,605 wie dies gleich nach Erlass des PPrävG erfolgte. Dazu kommt, dass allein der Begriff «beliebige Person» und seine Abgrenzung von «bekannten Personen» schon unergiebig ist. Nach einer kurzen Vorstellung könnten sich Prostituierte und Freier bereits «kennen». Es wäre sinnvoller gewesen, die Prostitution anhand eines Gewerbsmässigkeits-Kriteriums zu definieren, also zu verlangen, dass die Prostituierte ihre Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. Dem japanischen Gesetzgeber kann schliesslich aber zugutegehalten werden, dass er aus seinem Handeln gelernt und im Gesetz zum Schutz des Kindes und zur Verfolgung entgeltlichen sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie von Kinderpornografie von 1999 die unter Strafe gestellten Arten von sexuellen Handlungen genau beschrieben und aufgezählt hat.606 Es bleibt deshalb zu hoffen, dass er in Zukunft auch im Bereich der Erwachsenenprostitution zu neuen Mitteln greifen und die Sexarbeiter etwa durch eine Legalisierung und Regelung der Prostitution besser schützen wird.

Fazit

Es konnte aufgezeigt werden, dass sowohl die Strafbestimmung zur Pornografie als auch diejenigen zur Prostitution unter Druck westlicher Einflüsse entstanden sind. Obwohl sich die Wertvorstellungen und technischen Mög- 238 lichkeiten seither drastisch verändert haben, haben die veralteten Bestimmungen ihren Platz im japanischen Strafrecht unverändert beibehalten. Was für Unsicherheiten und Schlupflöcher dies für Bevölkerung und Justiz mit sich bringt, wurde mehr als deutlich erkennbar. Sicherlich wurde die heutige Gesetzes- und Faktenlage durch viele verschiedene Faktoren, wie die Gesetzesentstehung, kulturelle Aspekte und westliche Einflüsse, zu dem entwickelt, was sie heute ist. Die Frage der korrekten Formulierung einer Strafnorm eröffnet ausserdem die grundlegende Fragestellung des Strafrechts, inwiefern eine solche dem «nulla poena sine lege»-Grundsatz genügen kann. Die beiden genannten Rechtsbereiche eignen sich gut, die zwei möglichen Extreme des Umgangs mit der Formel deutlich zu machen. Die Pornografie-Bestimmung im jStGB basiert auf dem unbestimmten Rechtsbegriff der «Obszönitäten». Daraus ist nicht ersichtlich, was darunterfällt, weshalb es voll und ganz der japanischen Rechtsprechung obliegt, diese zu definieren. Die Gefahr der Schliessung von Lücken durch Analogieschluss ist hierbei gross. Diese Ausgangslage führt zu erheblichen Unsicherheiten in der Bevölkerung, wie es sich auch im Umgang mit Pornografie in Japan zeigt. Die japanischen Pornografie-Studios arbeiten in ständiger Angst, strafrechtlich verfolgt zu werden, und testen Schritt für Schritt aus, wie weit sie gehen können, ohne Probleme mit der Justiz zu bekommen. Dabei greifen sie zu Genres wie Bukkake und Vergewaltigungssimulationen, welche längst sogar westlichen Moralvorstellungen zuwiderlaufen. Auf der anderen Seite wird dann aber die Künstlerin Megumi Igarashi alias Rokudenashiko wegen Verstosses gegen Art. 175 jStGB bestraft, weil sie Daten, mit welchen sie per 3D-Drucker ein Kajak in Form ihrer Vulva herstellte, an die Unterstützer ihres Crowd-Funding-Projekts geschickt hat. Die Daten weisen nach dem Tokioter Gericht zwar keine wahrnehmbar obszöne Form auf, sie könnten aber durch den 3D-Drucker in eine solche Form gebracht werden. Im Punkt der Herstellung des Vulva-Kajaks wurde sie zu Recht freigesprochen, da die leuchtenden Farben und Dekorationen, die auf dem Kajak angebracht waren, den Ursprung seiner Form ausreichend verschleierten,607 also nicht einmal mit der Begründung, dass ein solches Kajak aus europäischer Sicht ohnehin schlichtweg nicht obszön und durch die Kunstfreiheit geschützt ist. Um den Widerspruch der japanischen Wertvorstellungen gänzlich auf die Spitze zu treiben, ist zu beachten, dass die richterliche Begründung im Fall Rokudenashiko aus einem Land stammt, in welchem an den schintoistischen Festen Kanamara- und Hōnen-Matsuri gigantische Phallus-Abbildungen durch die Strassen getragen werden und Alt und Jung penisförmige Süssigkeiten verzehren. Doch dies ist wohl durch Religion und Kultur gerechtfertigt. Auf jeden Fall führt das alles zur Gefahr des willkürlichen Handelns der staatlichen Behörden und einem Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Justiz. Demgegenüber stehen die Strafbestimmungen zur Prostitution, welche auf der sehr eng umschriebenen gesetzlichen Definition der Prostitution basieren. Bei dieser Ausgangslage befindet sich die Bevölkerung am «längeren Hebel». Sie kann Strafbarkeitslücken, welche sich durch den exakt umschriebenen Wortlaut der Bestimmung ergeben, ausnutzen und straflos agieren. Es läge am Gesetzgeber, die Lücken zu erkennen und zu schliessen. Wenn er dies aber nicht tut, bleibt vom Gesetz nichts anderes übrig als ein unwirksames Sieb. Das Formulieren eines Straftatbestandes ist mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Der zu verwendende Wortlaut muss es dem Adressaten möglich machen, sein Verhalten danach zu richten, und zugleich der Justiz einen gewissen Spielraum zur Konkretisierung der Bestimmung belassen. Man darf gespannt sein, wie sich die japanische Gesetzgebung in diesem Bereich in Zukunft entwickeln wird.

549

Vgl. Wong/Yau, The Japanese Adult Video Industry, Abingdon-on-Thames u.a. 2018, 206; vgl. auch Japan Today vom 13.09.2012 https://japantoday.com/category/features/japan-sees-surge-in-aspiring-adult-film-actresses-6000-said-to-debut-each-year, [31.07.2019].

550

Salzberg, The Japanese Response to AIDS, in: Boston University International Law Journal, Volume 9, Boston 1991, 243 ff., 258; vgl. auch Aoyama, The sex industry in Japan: The danger of invisibility, in: McLelland/Mackie (Hrsg.), Routledge Handbook of Sexuality Studies in East Asia, Abingdon-on-Thames u.a. 2015, 281 ff., 282; Hotz, Selbstbestimmung im Vertragsrecht – Unter besonderer Berücksichtigung von Verträgen zu «Liebe», Sex und Fortpflanzung, Rechtliche und kulturelle (Schweiz, Deutschland, Japan) sowie theoretische Perspektiven zu den Grenzen der Autonomie, Bern 2017, 306.

551

Vgl. zum Ganzen Tadaki, Faktische Gesetzgebung durch «freie» richterliche Auslegung von Strafgesetzen, in: Duttge/Tadaki (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungslinien des japanischen Strafrechts im 21. Jahrhundert, Tübingen 2017, 15 ff.; Yamanaka, Geschichte und Gegenwart der japanischen Strafrechtswissenschaft, Berlin u.a. 2012, 253.

552

Zur Definition siehe statt vieler Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, Berlin 2013, 31 f.

553

BGE 126 IV 5 E. 2d; 116 IV 134 E. 2a; Donatsch/Tag, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 9. Aufl., Zürich u.a. 2013, 33 f.

554

Saheki/Griebeler, § 12 Einführung in das japanische materielle Strafrecht, in: Kaspar/Schön (Hrsg.), Einführung in das japanische Recht, Baden-Baden 2018, 131 ff., 137; Tadaki (Fn. 3), 16 ff.; Yamanaka (Fn. 3), 253 f.

555

Saheki/Griebeler (Fn. 6), 137 f.; Tadaki (Fn. 3), 20 ff. m.w.H.

556

Takato, Cybercrimes in Japan: Recent cases, legislations, problems and perspectives, Tōkyō 2003, 16.

557

Oberster Gerichtshof Japans vom 16.07.2001, 1999 (A) 1221.

558

Kuzuhara, Aktuelle Entwicklungen im japanischen Sexualstrafrecht: Einführung eines Rachepornographiegesetzes, in: Duttge/Tadaki (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungslinien des japanischen Strafrechts im 21. Jahrhundert, Tübingen 2017, 101 ff., 103.

559

Vgl. zum Ganzen Allison, Permitted & Prohibited Desires, Boulder 1996, 163 m.w.H.; siehe auch Wong/Yau (Fn. 1), 58.

560

Ward Beer, Freedom of Expression in Japan: A Study in Comparative Law, Politics and Society, Tōkyō u.a. 1984, 336, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 57.

561

Vgl. zum Ganzen Adachi, アダルトな人びと (adaruto na hitobito), Tōkyō 1995, 288 f., zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 58 ff.; Wong/Yau (Fn. 1), 186; Yasuda/M. Amamiya, エロの敵 今、アダルトメディアに起こりつつあること (ero no teki: ima, adaruto media ni okori tsutsuaru koto), Tōkyō 2006, 98 f., zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 60.

562

Adachi (Fn. 13), 288, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 187; Motohashi, あの一斉逮捕から4年!「ビデ倫」事件のその後 (ano issei taiho kara yonnen! «Biderin» jiken no sonogo), in: (tsukuru), combined Issue of 5 and 6, Tōkyō 2012, 122 ff., 123, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 187.

563

Wong/Yau (Fn. 1), 187.

564

Motohashi (Fn. 14), 123, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 187; Yasuda/Amamiya (Fn. 13), 100, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 187.

565

Vgl. zum Ganzen T. Fujiki, アダルトビデオ革命史 (adarutobideo kakumeishi), Tōkyō 2009, 210, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 187; H. Sonoda/H. Dai, エロスと「わいせつ」のあいだ 表現と規制の戦後攻防史 (erosu to «waisetsu» no aida hyōgen to kisei no sengo kōbōshi), Tōkyō 2016, 105, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 187.

566

Sonoda/Dai (Fn. 17), 106, zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 189.

567

Wong/Yau (Fn. 1), 189 f.

568

Sonoda/Dai (Fn. 17), 105 ff., zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 190 f.

569

Sonoda/Dai (Fn. 17), 103, 111 f., zitiert nach Wong/Yau (Fn. 1), 191.

570

Vgl. zum Ganzen Wong/Yau (Fn. 1), 191 f.

571

Wong/Yau (Fn. 1), 193 f.

572

Wong/Yau (Fn. 1), 195.

573

BGE 124 IV 106 E. 3c; 128 IV 25 E. 3a; Isenring/Kessler, in: Niggli/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl., Basel 2019, Art. 197 N 8; Trechsel/Bertossa, in: Trechsel/Pieth (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich u.a. 2018, Art. 197 N 2; Weissenberger, Strafwürdiger Besitz von Kinderpornografie?, Zu den geplanten Gesetzesrevision im Bereich der harten Pornografie, in: AJP 1998, 311 ff., 313; ders., Revisionsentwurf zur harten Pornografie: In dubio contra libertate, in: ZBJV 1999, 159 ff., 161 f.

574

BGE 117 IV 276 E. 3b; 114 IV 23 E. 3b; 100 IV 233 E. 2; 89 IV 195 E. 2; 87 IV 73 E. 5; 83 IV 19 E. 6.

575

Isenring/Kessler, BSK StGB II (Fn. 25), Art. 197 N 6.

576

Kuzuhara (Fn. 10), 104, 106 Fn. 14.

577

Kuzuhara (Fn. 10), 103, 105 f.

578

Hotz, Wider die öffentliche Ordnung und die guten Sitten – Eine Annäherung an die japanische Generalklausel aus europäischer Perspektive, in: Zeitschrift für Japanisches Recht 13 (25), Köln 2008, 105 ff., 118 Fn. 39; Sanders, Indentured Servitude and the Abolition of Prostitution in Postwar Japan, Cambridge 2006, 41.

579

Hotz (Fn. 30), 121.

580

Aoyama (Fn. 2), 282.

581

Hotz (Fn. 2), 302; West, Law in Everyday Japan: Sex, Sumo, Suicide, and Statutes, Chicago 2005, 166 f.

582

Ramseyer, Odd Markets in Japanese History, Law and Economic Growth, Cambridge u.a. 1996, 109 ff. m.w.H.

583

Hotz (Fn. 2), 299.

584

Tanaka, Japan’s Comfort Women, Sexual Slavery and Prostitution during World War II and the US Occupation, London u.a. 2002, 110 ff. m.w.H.; vgl. auch Koikari, Rethinking Gender and Power in the US Occupation of Japan, 1945-1952, in: Gender and History, Band 11 (2), Oxford u.a. 1999, 313 ff., 320 m.w.H.

585

Hotz (Fn. 2), 299 Fn. 1277; Mackie/Tanji, Militarised sexualities in East Asia, in: McLelland/Mackie (Hrsg.), Routledge Handbook of Sexuality Studies in East Asia, Abingdon-on-Thames u.a. 2015, 60 ff., 63; Koikari (Fn. 36), 320 f.; Tanaka (Fn. 36), 141 ff. m.w.H.

586

Sanders (Fn. 30), 27; Tanaka (Fn. 36), 155 ff.; Koikari (Fn. 36), 321 f. je m.w.H.; vgl. auch Hotz (Fn. 30), 118.

587

Hotz (Fn. 30), 117 f.; dies. (Fn. 2), 298 f.

588

Hotz (Fn. 30), 118; Koikari (Fn. 36), 321 f. m.w.H.; Sanders (Fn. 30), 27 m.w.H.

589

SCAP Records, Memorandum for Imperial Japanese Government, Enclosure 3, Nr. 9321, Summary Report: VD Control, 1945/10–1949/12, zitiert nach Koikari (Fn. 36), 322 Fn. 34.

590

The Labor Ministry, Women’s and Minors’ Bureau, 風紀についての世論 (fūki ni tsuite no seron) (Opinions on Public Morality), conducted by the National Public Opinion Survey Center in 1953, zitiert nach Koikari (Fn. 36), 327 Fn. 54; vgl. auch Hotz (Fn. 2), 229 Fn. 1277.

591

Downer, Geisha: The secret history of a vanishing world, London 2000, 172.

592

Vgl. Hotz (Fn. 2), 302 f.

593

Vgl. Hotz (Fn. 2), 301, 303; Sanders (Fn. 30), 41.

594

Hotz (Fn. 2), 300 m.w.H. auf Bayley, Forces of Order, Policing Modern Japan, 2. Aufl., Berkeley u.a. 1991, 107 ff.

595

Hotz (Fn. 2), 302 f.

596

Vgl. Chaplin, Japanese Love Hotels: A cultural history, Abingdon-on-Thames u.a. 2007, 163 f.; vgl. auch West (Fn. 33), 167.

597

Hotz (Fn. 2), 260.

598

Vgl. West (Fn. 33), 166 Fn. 51.

599

Hotz (Fn. 2), 260; West (Fn. 33), 148 ff., 152 f.

600

West (Fn. 33), 153 f.

601

Vgl. zum Ganzen Hotz (Fn. 2), 300; Kaname/Mizushima, 風俗嬢意識調査–126人の職業意識 (fūzokujō ishiki chōsa – 126-nin no shokugyō ishiki), Tōkyō 2005, 195, zitiert nach Aoyama (Fn. 2), 283; Mizushima, 日本の売春政策とセックスワーカーの現状:フェミニズムの視点から (nihon no baishunseisaku to sekkusuwākā no genjō: feminizumu no shiten kara), in: 女性・戦争・人権 9 (josei sensō jinken 9), Ōtsu 2008, 32 ff., 34, zitiert nach Aoyama (Fn. 2), 283.

602

Isenring/Kessler, BSK StGB II (Fn. 25), Art. 195 N 2.

603

Nakayama, 売春防止法の今日的意義と課題 (baishun bōshi hō no konnichiteki igi to kadai), in: ジュリスト (jurisuto) Nr. 882, Tōkyō 1987, 30 ff., 30, 34, zitiert nach Hotz (Fn. 30), 119 Fn. 45.

604

Vgl. zum Ganzen Aoyama (Fn. 2), 283.

605

Matsuzawa, グレーゾーンがなくなる社会 風営法の現在を巡って (gurēsōn ga nakunaru shakai: fūeihō no genzai wo megutte), in: Isobe [Hrsg.], 踊ってはいけない国日本 – 風営法問題と過剰規制される社会 (odotte wa ikenai kuni, nihon – fūeihō mondai to kajō kisei sareru shakai), Tōkyō 2012, 70 ff., 73, zitiert nach Aoyama (Fn. 2), 283.

606

West (Fn. 33), 154 Fn. 17.

607

BBC News vom 09.05.2016, https://www.bbc.com/news/world-asia-36247459, [31.07.2019]; siehe auch die Stellungnahme der Künstlerin Rokudenashiko selbst auf ihrem Blog https://6d745.com/2017/10/30/my-current-situation, [31.07.2019], wobei auch sie sich über die herrschende Ungerechtigkeit ärgert, in welcher die Polizei gewalttätige Pornografie zulässt, aber ihre Kunst bestraft.

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Gesetzesumgehung im japanischen Sexualstrafrecht?
von Marvin Stark
Contralegem 2, 2019 - Stark.pdf
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