Vermisstenanzeige

Aulus GelliusEine Vermisstenanzeige, oder: Was gehört in eine MROS-Meldung?SContraLegem202127172

Vermisstenanzeige oder
Was gehört in eine MROS-Meldung

71Die Sorgfaltspflichten von Banken, die sich aus dem Geldwäschereigesetz, der Geldwäschereiverordnung und der Geldwäschereiverordnung-FINMA ergeben, sind hinsichtlich bekannt.

Ebenfalls hinsichtlich bekannt ist die Sorgfalt, mit der die Banken diese Sorgfaltspflichten umsetzen. Etwas Anderes wäre ja auch überraschend.

Die Identifikation der Gelder und der Geschäfte steht dabei im Mittelpunkt. Jedenfalls so sehr im Mittelpunkt, wie die Identifikation der Kunden. Man muss ja Alles wissen. Und etwas mehr. Und die Identifikation des Kunden bezieht sich nicht nur auf die Person des Kunden, sondern wohl auch auf dessen Aufenthalt.

Die hier auszugeschweise vorgelegte MROS Meldung der Credit Suisse AG («CS») an die Meldestelle für Geldwäscherei zeigt, wie sorgfältig bei der «Identifikation» vorgegangen wird. Die CS erstattete diese Verdachtsmeldung 2016, weil sie bei der «Identifikation» Unregelmässigkeiten vorfand.

Interessant und aufschlussreich sind die Ausführungen der CS unter dem Punkt «Wie hat sich der Vorgang abgespielt, welcher sie zu dieser Meldung veranlasste». Im ersten Abschnitt beschreibt die CS allgemein die Geschäftsbeziehung.

Im zweiten Abschnitt wird sie konkreter: «Gemäss Medienberichten von Anfang Februar 2016 soll seit Wochen unklar sein, wo sich XXXX [i.e. der wirtschaftlich Berechtigte ihres Kunden, nennen wir ihn mal Herr Z.] befinde, so habe er sich auch nicht wie üblich an den Bob-Weltcup Rennen in St. Moritz gezeigt».

Laut Medienberichten soll also unklar sein, wo Herr Z. sich seit Anfang Februar 2016 aufhalte. E contrario heisst das, Herr Z. müsste, um nicht verdächtig zu sein, den Medien stets mitteilen, wo er sich befindet. Etwas Anderes wäre, nun ja, verdächtig. Es stellen sich zwar Fragen, wie beispielsweise welche Medien Herr Z. genau informieren müsste, dies wie oft und ob es ausreiche, dass er regelmässig Bescheid gäbe oder auch spontane Reisen angegeben werden müssten, aber der Grundgedanke ist klar: Nur wenn die Medien wissen, wo Herr Z. sich aufhalte, ist sein Verhalten unverdächtig. Ob man den Medien – im Umkehrschluss – eine regelmässige Publikationsplicht in Bezug auf den Aufenthaltsort von Herrn Z. aufbürden kann, ist eine weitere interessante rechtliche Frage, interessierte Dissertanten melden sich bitte bei der Redaktion dieser Zeitschrift.

Herr Z. müsste, um nicht verdächtig zu sein, den Medien stets mitteilen, wo er sich befindet.

Und es bräuchte, das ist klar, auch eine Liste, welche die Medien nach ihrer Seriosität und Glaubwürdigkeit bewertet, um im Falle widersprüchlicher Angaben entscheiden zu können, ob der Aufenthalt von Herrn Z. nun bestimmbar sei oder nicht.

72Die CS hat aber – sorgfältig wie sie ist – ihre Verdachtsmeldung nicht nur auf Medienberichte basiert, sondern eigenständig und gewissenhaft ihren Sorgfaltspflichten folgend noch Abklärungen getroffen. So gibt sie der Meldestelle für Geldwäscherei an, dass Herr Z. sich «auch nicht wie üblich an den Bob-Weltcup Rennen in St. Moritz gezeigt» hätte. Das weiss die CS. Die Frage, die sich aber aufdrängt, ist: woher weiss die CS das? Hat sie Anfragen an alle Hotels (nur mit fünf Sternen oder auch Jugendherbergen?) und Restaurants (nur die von Gault Millau empfohlenen oder auch Bratwurststände am Strassenrand?) in St. Moritz und der Umgebung gestellt? Hat sie, etwas offizieller, in der Gemeinde oder gleich im ganzen Kanton Suchmeldungen bei der Polizei in Auftrag gegeben? Hat sie von allen in der Schweiz landenden Flugzeugen die Flugzeugpassagierlisten geprüft oder bei der SBB eine entsprechende Anfrage platziert (falls Herr Z. umweltbewusst das Flugzeug gegen den Zug getauscht hätte)? Hat sie den Zoll angerufen und dort gefragt, ob eine Einreise des Herrn Z. vermerkt worden ist? Hat sie die Besucherlisten der Bob-Weltcup Rennen überprüft? Hat sie die Kameras auf privatem und öffentlichem Grund in St. Moritz, in Graubünden oder gleich in der ganzen Schweiz ausgewertet? Oder hat sie, wie auch bei wichtigen Mitarbeitern, sich für den Einsatz von Privatdetektiven entschieden?

Aulus Gellius

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Vermisstenanzeige oder Was gehört in eine MROS-Meldung, S, ContraLegem 2021/2, S. 71-72
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